Von den Inseln

Der Mann, den ich kennengelernt habe, schreibt mir: Wir hüten es gerade so schön zwischen uns… dass es da eine Welt außenrum gibt, ist uns klar. Die Insel scheint uns aber gerade gutzutun.

Dass er das schreibt, hat mit seiner und meiner Unsicherheit zu tun, was meine Kinder angeht. Kennenlernen? Die Zeit ausweiten, in der wir uns sehen können? Oder lieber nicht?

Ich mag das Inselbild, das Spinnen über die Geografie von Beziehungen und Beziehungsmöglichkeiten…

Tatsächlich ist das Leben auf meinem Festland schwierig und turbulent. Da ist keine Stelle frei, da wäre gar kein Platz, kein Raum für jemanden, denke ich manchmal. Nicht für jemanden, der geküsst werden will, wenn ich gerade den total verkrümelten Kühlschrank putze; nicht für jemanden, der die aktuellen politischen Entwicklungen diskutieren möchte, während ich den Alltag einer ganz gewöhnlichen Woche zu organisieren versuche; nicht für jemanden, der Ausflüge plant, wenn ich am Wochenende nichts anderes als umfallen und schlafen möchte. Oder doch? Wäre das alles einfach, einfacher, als ich denke?

Nicht für jemanden jedenfalls, der meinen Söhnen ans Herz wächst, bevor ich mir seines Herzens sehr, sehr, sehr sicher sein kann.

Also lasse ich das Festland lieber hinter mir, ab und zu, setze mich in ein Boot und setze über zu einer Insel.

Natürlich ist die Tektonik von Inseln eine schwierige Frage. Eine Insel kann der sicherste und wirklichste Ort auf der Welt sein, aufgehängt an einem einzigen blauen Faden, über den Ozean zwischen zwei Herzen gespannt. Eine Insel kann der zerbrechlichste Ort auf der Welt sein, fortgespült von der Flutwelle einer einzigen falschen Hoffnung; untergehen wegen des Flügelschlages eines Schmetterlings weit fort, auf einem anderen Kontinent.

Was ich mir wünsche, ist deshalb vielleicht: eine Insel, die allmählich Richtung Ufer treibt. Brücken. Gegenseitige Festlandsbesuche. Zwischen Alltag und Insel nur mehr ein Flüsschen, kein wildes Meer. Eine Beziehung, die sich meinem Alltag annähert, nicht weil in meinem Alltag etwas fehlt, sondern weil das Zusammensein mit jemanden, der zu einem echten Gegenüber wird, sich garnicht beschränken lässt. Das wäre schön.

Ich glaube, es ist zu einfach, wenn den vielen Singles in den Großstädten Beziehungsunfähigkeit bescheinigt wird. Es ist zu einfach, zu unterstellen, wir wollten sowieso nur Affären oder hingen einem völlig unrealistischen Ideal von romantischer Liebe an.

Denn wer alleine lebt, irgendwo in der Mitte des Lebens, der kann und möchte nicht zurück:

Nicht in einen schlechten Kompromiss von Beziehung, denn wir können gut alleine sein. Nicht in eine Beziehung, in der es nur um das Nicht-Alleinsein geht, denn wir haben Freunde. Nicht hinter unsere vorsichtigen Träume von einer großen Liebe, denn was sonst fehlt uns? Das Gespenst des Alterns in Einsamkeit ist noch weit fort, wir haben noch Zeit, es ist zu früh für Verzweiflung.

Wir wünschen uns ein Gegenüber, einen Menschen, den wir – so wie er ist – respektieren und lieben können; einen, der uns sieht, all das sieht, was so gern gesehen werden möchte; der uns dadurch zu dem  Menschen macht, der wir gern wären. Und der bleibt.

Aber danach, nach einem solchen Traum, darf man nicht suchen. Lieber jemanden finden, mit dem eine Insel sich teilen lässt, die winternächtliche Stadt, ein gelber Mond, ein Glas Wein, Zärtlichkeit. Alles andere ist ein Wunder. Es geschieht, oder es geschieht nicht.

2 Gedanken zu „Von den Inseln

  1. hennarot

    Liebe Greta-und-das-Leben, Du mußt bald veröffentlichen. Dieser Text ist Wahnsinn, also phantastisch: Worte, Bilder, Sach- und Herz- und Kopfebene. Klug, tiefsinnig. Danke!!!

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    Antwort
  2. Pingback: As Time Goes By (1) | kreuzberg süd-ost

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