Ich setze den Neunjährigen mit seinen Schulaufgaben an den Küchentisch und mache mich daran, ihn zu beaufsichtigen und dabei die Küche aufzuräumen. Die Frühlingssonne strahlt vom tiefblauen Himmel – und durch mein Küchenfenster, von dem ich mir bisher eingebildet habe, es sei aus reiner Menschenfreundlichkeit nach Weihnachten einfach nicht wieder schmutzig geworden. Das war ein Irrtum. Schnell wegschauen. Mein Blick fällt auf den Herd, auf allerhand Kleckse und Spritzer im Sonnenlicht prima zur Geltung kommen. Ich putze den Herd. Dabei muss ich den Wasserkessel wegstellen, der sich schon wieder so klebrig anfühlt, wie sich nur Wasserkessel auf Gasherden anfühlen, auf denen häufig gekocht wird. Ich mache den Wasserkessel sauber. Aus Versehen spritze ich dabei Seifenwasser auf die Kühlschranktür, die seltsamerweise im Sonnenschein so aussieht, als hätten wir den Winter damit verbracht, Tag um Tag Tee und Kakao zu verschütten. Ich mache die Kühlschranktür sauber. Dummerweise mache sich sie dabei auf. Der Kühlschrank sieht – obwohl die Sonne garnicht reinscheint – so aus, als hätten wir den Winter über lauter Lebensmittel in undichten Packungen gekauft. Mein Sohn ist inzwischen mit seinen Schulsachen fertig. Ich scheuche ihn aus der Küche und mache seufzend den Kühlschrank sauber. Dabei fällt mein Blick auf den Überlauf des Spülbeckens. Ich denke kurz darüber nach, meinen Lebensunterhalt von nun an mit dem Verkauf innovativer neuartiger Penicillinprodukte zu verdienen. Dann mache ich den Überlauf aber lieber doch sauber. Sooo. Jetzt reichts aber mit dem Putzen.
Unterdessen haben meine Kinder im großen Zimmer – in der Küche durften sie ja nicht – geknetet. Ich bekomme einen wunderbaren Obstteller mit gelben Bananen und roten Erdbeeren mit grünen Blättchen serviert. Räumt mal auf, sage ich zu meinen Kindern, die bei Sonnenschein auch nicht so richtig sauber aussehen, und geht mal in die Wanne! Dann entdecke ich die Knetkrümel in vielen leuchtenden Farben, die sie auf dem Esstisch, unter dem Esstisch, auf den Stühlen und auf meinem dienstlichen Laptop hinterlassen haben. Ich denke kurz darüber nach, Firma Playdooh zu verklagen, hole dann aber lieber den Staubsauger. Solange die Kinder baden, wische ich noch schnell die Küche.
Dann sind meine Kinder fertig. Guckt mal, wie schön sauber hier jetzt alles ist! Oh, sagt der Fünfjährige, der es mit seinem Charme und seinen diplomatischen Fähigkeiten einmal weit bringen wird, die Küche leuchtet ja wie der Himmel! Später essen wir Reis mit Resten. Als der Fünfjährige die Kerze auspusten will, steht leider noch der Teller mit dem ganz fein geriebenen Käse davor. Der mächtige Puster des Fünfjährigen lässt den Käse wie einen Sandsturm durch die wie der Himmel leuchtende Küche fliegen.
Neeeeeein! Ich denke kurz – ganz kurz – darüber nach, meine Kinder am Bahnhof Zoo auszusetzen und in ein Kloster einzutreten, in eins, in dem man sein Seelenheil erlangt, indem man Tag um Tag einen langen, langen Klosterkreuzgang putzt, einen, in dem es nie schmutzig wird, weil man den lieben langen Tag ja nichts anderes tut, als dort zu wischen.
Oder ich suche mir einen Vorwand, um bei Sonnenschein nie, nie wieder zu Hause zu sein. Ein Haufen Dates? Ist ja schließlich Frühling, oder?
Wahrscheinlich sind die ganzen Pärchen jetzt auch bloß deshalb in den Parks unterwegs, um nicht sehen zu müssen, was bei ihnen zu Hause alles saubergemacht werden müsste. Frühlingsgefühle eben.
Bei mir ist der Himmel grau. Bis auf einen Tag pro Woche. An Sonnentagen arbeite ich mehr. Ich seh‘ jedenfalls nix. Jetzt ist auch noch eine Lampe kaputt. Zefix! 😉
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Wir hatten jetzt schon mindestens zwei Sonnentage. Soooo schön! Vielleicht zieht das Hoch ja zu Euch weiter…
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Das kommt mir alles soo bekannt vor :-). Also macht es wie die Pärchen – und wie wir heute – alle Kinder auf den Spielplatz, die Erwachsenen in die Sonne mit nem Kaffee und Torte, dann sieht man selber auch nicht, wie unvorteilhaft sich die Wohnung bei Sonnenlicht präsentiert! Ist ja doch alles nur ein Sisyphos-Job bei kleinen Kindern in der Familie.
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Ach was: Sisyophos: musste der nicht bloß nen Stein den Berg hochrollen? Das hätten sie mal eine Mutter machen lassen sollen, dann hätte das auch geklappt…
Keine Angst, auch wir selber (nicht nur die Wohnung) haben unseren Teil Sonne abbekommen an diesem schönen Wochenende!
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jepp! schön geschrieben.
im winter hab ich in der küche zum glück keine sonne. dafür gibts den schönsten sonnenschein im wohnzimmer, da lassen sich die staubteilchen so schön beim tanzen beobachten… *seufz*
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Und die Sonne scheint immer noch!
Ich halte es wie die Pärchen und fliehe ins Grüne, wenn ich kann.
Mal wieder schön geschrieben!
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