Eine Liebeserklärung

Nach vier oder fünf Wochen ohne Wege zur Kita oder zur Schule habe ich so gar keine Lust, wieder früh aufzustsehen, Vesperdosen zu füllen, an alle Siebensachen zu denken und pünktlich loszugehen.

Aber den ersten Morgen versüßt mir mein fünfjähriger Sohn. Kurz vor sechs kommt er angetappt, im Halbschlaf lasse ich ihn unter meine Decke kriechen, gebe ihm einen Kuss und murmele: Ich hab dich lieb! Ich hab dich auch lieb, Mama, sagt mein Sohn, bis zum Himmel und wieder zurück! – Bis hierhin kennen wir das ja aus diesem kleinen Büchlein. Aber mein Sohn findet noch Steigerungsmöglichkeiten: Und bis nach Belgien. Und Italien. Uuuuund… Frankreich und Portugal.

Ich ahle mich in einer der schönsten Liebeserklärungen, die ich je von einem meiner Kinder bekommen habe. Aber nicht lange. Mama, sagt der Fünfjährige, du kannst doch nicht mehr heiraten, oder? Für dich ist das zu spät!

Nee, nee, antworte ich, so einfach ist das nicht, man kann auch heiraten, wenn man schon älter ist.

Ach ja, erinnert sich mein Sohn, weil du noch nicht geheiratet hast!

Nee, erkläre ich ihm, ich könnte auch wieder heiraten, wenn ich schon mal verheiratet gewesen wäre. Wenn man verheiratet ist und jemand anderen heiraten will, kann man sich ja scheiden lassen. Dann ist man nicht mehr verheiratet.

Mein kleiner Sohn kuschelt sich nachdenklich an mich, und ich sage schnell: Aber ich würde nie, nie, nie jemanden heiraten, der nicht auch dich und deinen Bruder liebhat und für euch da sein will.

Oh, sagt der Fünfjährige, offensichtlich angetan von seiner guten Idee: Dann kannst du doch Papa heiraten!

Jetzt müssen wir aber wirklich aufstehen, sage ich – glücklich, weil mein Sohn mir seine Liebe zeigt. Und wieder einmal traurig, weil meine Kinder nie aufhören werden, sich zu wünschen, dass ihre Eltern sich auch lieben könnten.

5 Gedanken zu „Eine Liebeserklärung

  1. Susanne Haun

    Ich habe schallend gelacht, liebe Greta, als ich las, dass für dich eine Heirat zu spät ist.
    Kinder hören nie auf, sich zu wünschen, dass ihre Eltern zusammen sind und sich lieben. Selbst mein 20jähriger hat diese Anwandlung. Es ist ja für die Kinder auch viel komplizierter, sie müssen so sehr aufpassen, immer beiden Elternteilen loyal gegenüber zu sein. So achte ich sehr darauf, nie schlecht oder kritisch über den Vater meines Kindes zu reden. Ich möchte meinem Kind nicht weh tun.
    Das geht ja fast in Richtung unseres Salonthemas, Greta. Kommst du und bringst du jemanden mit? Es wird bestimmt spannend!
    Liebe Grüße von Susanne

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