Frau Brüllen fragt wie an jedem Monatsfünften, was wir eigentlich alle den ganzen Tag machen. Hier gibt es viele Antworten – meine ist diese hier:
Ich wache irgendwann ganz früh auf, weil die Amsel vor dem Fenster sich in ihre Morgen-Arie einsingt und der Nachbar von schräg-oben-links sein Radio oder seinen Fernseher einschaltet und die Lautstärke ordentlich aufdreht. Das macht er häufig, er lebt zu ungewöhnlichen Zeiten, weswegen ich ungern auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafe. Aber es hatte sich gestern nach einem langen Telefonat mit der Besuchsfreundin so ergeben – deshalb lege ich mir jetzt ein Sofakissen aufs Ohr und mache die Augen wieder zu.
Als ich wieder aufwache, ist es halb acht. Ich freue mich ein paar Minuten lang an dem Gefühl, nicht aufstehen zu müssen, dann stehe ich auf und mache einen kleinen Kontrollgang auf dem Balkon. Allen Pflanzen (außer den von den Spatzen geplünderten Melden) geht es gut, aber es ist zu frisch, um draußen zu frühstücken. Also setze ich mich mit meinem Tee und drei Toastbroten an den Küchentisch.
Nach einer ausführlichen Dusche packe ich die Sachen des Dreizehnjährigen zusammen, der am Vortag zu seinem Papa gewechselt ist – das bedeutet, dass ich elf transparente Plastik-Stehordner, die – hoffentlich – jeweils Buch, Hefter und sonstiges Zubehör für genau das Schulfach enthalten, das vorne auf dem Stehordner vermerkt ist, in zwei große blaue IKEA-Taschen stelle; die dünne Jacke, die Sandalen, das Handy, die Schlagzeugnoten und die Sticks dazulege, mir die eine Tasche über die eine Schulter und die andere über die andere Schulter hänge, das Schlagzeugpad in die eine Hand nehme und mit der anderen geradeso noch die Wohnungstür hinter mir zuziehen kann. Diese Routine gibt es alle zwei Wochen (das Zubehör des Neunjährigen ist etwas handlicher und wird immer schon am Donnerstagnachmittag zum Papa – oder in der anderen Woche: zu mir – verbracht).
Ich klinge beim Vater meiner Kinder, begrüße die Jungs, schiebe mich mit den riesigen blauen Taschen in den engen Flur und setze mich kurz zum Vater meiner Kinder an den Küchentisch, um ein paar Absprachen zu treffen. Der maulende Dreizehnjährige muss danach nochmal mit zu mir kommen, weil da noch irgendwo die Informationen herumliegen müssen, die er sich für einen Kurzvortrag zusammengesucht hat.
Kurz vor halb 10 ist das Wechsel-Prozedere für dieses Mal erledigt und ich bin wieder allein.
Ich fange an, die kinderwochenverwüstete Wohnung aufzuräumen, wasche Geschirr ab, sammle Schmutzwäsche ein, stelle die Waschmaschine an, putze den Herd und den Badspiegel, die Badewanne und das Klo und merke gerade zur richtigen Zeit, dass ich eigentlich lieber in die Bibliothek fahren möchte, um einen kleinen Büchervorrat für die anstehenden Feiertage und Reisen zu besorgen. Jodi Picoult und Jörg Maurer für Himmelfahrt, Sue Monk Kidd und Regine Sylvester für Pfingsten, Graeme Simsion für jetzt sofort gleich und dann noch hier ein Buch und da eines – ein erfreulicher Stapel, den ich auf dem Weg zur digitalen Ausleihenverbuchung kaum auf dem Arm balancieren kann. Und dann ist da ja am Ausgang noch das frisch mit aussortierten Beständen bestückte Zu-Verschenken-Regal! Meine Tasche beult sich am Ende, als würde ich einen kleinen Elefanten darin transportieren. Sie ist auch genauso schwer.
Leider ist es zu spät, um nochmal kurz zu Hause vorbeizufahren und die Bücher abzustellen, also bleibe ich in der Bahn sitzen und fahre zum S-Café Friedenau, in dem ich mit der Patentante des Dreizehnjährigen verabredet bin. Die Sonne kommt neugierig um die Hausecke, sobald wir uns an unserem Tisch auf dem freundlichen kleinen Bahnhofsvorplatz niedergelassen haben; es gibt Kichererbsensalat mit Minze, Milchkaffee, kleine Updates aus ihrem und meinem Leben und beinahe einen Sonnenbrand im Nacken. Das ist sehr, sehr schön. Wir verabreden, uns unbedingt zum gemeinsamen Fußballgucken im Juni und vielleicht auf einen gemeinsamen Besuch in einer Trampolinhalle mit meinen Kindern zu treffen. Bald. Bestimmt bald…
Auf dem Rückweg beantworte ich ein paar sms und verpasse meinen Umsteigebahnhof, weil ich in „Das Rosie-Projekt“ vertieft bin. Also dauert die Fahrt etwas länger und ich bin erst um halb drei wieder zu Hause.
Mein Wochenendziel ist es, die Steuererklärung zu machen – damit kann ich aber auf keinen Fall anfangen, solange es in der Wohnung noch so schrecklich aussieht. Also räume ich weiter auf, wische Flur und Schlafzimmer, hänge Wäsche auf, stelle die Waschmaschine wieder an, trage die ersten Kleidungsstücke für die Klassenfahrt des Neunjährigen und für unser Himmelfahrtswochenende in Brandenburg zusammen, sauge das Wohnzimmer, hole die Koffer vom Hängeboden. Dann ist es auch schon Zeit, die letze Sonnenstunde auf dem Balkon zu verbringen, dabei ein paar Brote zu essen, einen auf-keinen-Fall-vergessen-Plan für die nächste Woche zu schreiben und einen Eimer Wasser unter den durstigen Pflänzchen zu verteilen.
Von sieben bis acht sitze ich dann vor dem Rechner, öffne aber mitnichten das Elster-Programm, sondern meinen Online-Sprachkurs Französisch. „tout le monde“ und „rien“, die Kontinente, il est né – il s’est marié – il est mort – solange ich vier Stunden im Monat lerne, stellt mein Arbeitgeber mir eine Sprachlernlizenz zur Verfügung, und ich bin anhaltend glücklich, zu lernen, in eine neue Sprache einzutauchen (bei weitem nicht nur, um den Dreizehnjährigen qualifiziert Vokabeln abfragen zu können!) – ganz ohne immer-wieder-schwierig-einzurichtenden wöchentlichen Kursbesuch, in meinem eigenen Tempo und zu meinen eigenen Zeiten.
Beim Bügeln hinterher versuche ich, einen französischen Podcast zu hören, was sich erwartungsgemäß als schrecklich größenwahnsinnig herausstellt. Ich verstehe kein Wort.
Ich räume die Pullis in den Schrank und das Bügelbrett beiseite. WmdedgT-Zeit.
Und dann mit dem angefangenen Buch unter eine Decke. Gute Nacht!
Oh, in dem Cafe saß ich auch schon öfter, meine Tante wohnt um die Ecke. Ich wünsche einen genau so produktiven Sonntag wie Samstag, also viel Erfolg mit der Steuer!
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