Wald und Stadt

Ade, Herbstferien!

Jetzt liegt sie hinter uns, die Atempause vor dem Winter.
Vor uns der nächste Abschnitte: sieben Wochen bis Weihnachten. Zunehmende Anspannung auf Arbeit wird das bedeuten, Stress mit Klassenarbeiten und Klausuren für die Kinder, ratloses bis panisches Weihnachtsgeschenkebesorgen, die übliche oder sogar etwas mehr als die übliche Streuung vermischter Arzttermine, der letzte Weiterbildungstag und vielleicht eine Klausur, um einen hübschen Zettel für etwaige zukünftige Bewerbungen zu bekommen.

Die Herbstferien waren abwechslungs- und ereignisreich. Ich hatte fast die ganze Zeit Urlaub, und zuerst standen drei Tage Waldhäuschen an, die der Dreizehnjährige so sehr gewollt hatte, dass ich sie dann doch noch irgendwie in den eigentlich schon verplanten Ferien untergebracht habe. Waldhäuschen nur zu zweit, das war neu. Schön war es trotzdem, mit den vertrauten Waldwegen, der gerade richtigen Menge an Pilzen und an täglichen Schritten (der Fuß wurde von Tag zu Tag besser, juhuu!), Zeit zum Vorlesen und Lesen und Tischtennisspielen, und mit dem Eichhörnchen im Baum vor dem Haus, das die Nüsse aus Weimar, die ich noch in der Jackentasche hatte und ihm hinstreute, einfach nicht wollte.

Dann Rückreise, ein Tag zum Wäschewaschen – und dann brachen wir nach Paris auf, zu viert, mit beiden Jungs und dem Hannoverliebsten. Das war der eigentliche Herbstferienplan, den Kindern diese Stadt zu zeigen, weil sie ja nun Französisch lernen bzw. gelernt haben. Wir hatten Tickets für den Eiffelturm, den Louvre und die Sainte Chapelle in der Tasche; machten eine Fahrt auf der Seine in der Saharaluftwärme – also mit kurzen Ärmeln! -, spazierten auf dem Montmartre herum, tranken sehr, sehr teuren Cappuccino bzw. sehr, sehr teure heiße Schokolade, aßen vorzügliche (sehr, sehr teure) Crepes, standen trotz unserer vorgebuchten Zeitfenstertickets ziemlich viel in diversen Faltschlangen (erklärt der Begriff sich von selbst?) an, absolvierten etliche Sicherheitsschleusen – ab dem 2. Mal auch ohne Taschenmesser im Rucksack und nur noch mit Plastikflaschen -, bestaunten die Fotoausstellung zum Wiederaufbau von Notre Dame und fuhren insgesamt etwa 12 Stunden Metro, weil wir ja leider in Aubervilliers, etwas außerhalb, wohnten. Dort gab es einen Bäcker (mit den allerallerbesten Croissants der Welt!) und einen Supermarkt um die Ecke, das war ganz wunderbar; außerdem einen riesigen Markt mit Obst und Gemüse, Dingen des täglichen Bedarfs und eindrucksvollen Fisch- und Fleischständen, die ich mit Faszination und leichtem Grauen betrachtet habe. Wussten Sie, dass man Karden essen kann? Anscheinend werden sie in Couscous und Tajine-Gerichten verarbeitet.
Nachts in diesem Viertel spazierenzugehen wäre mir allerdings nicht lieb gewesen; es war irgendwo zwischen „arg arm und heruntergekommen“ und „kurz vor Beginn der Gentrifizierung“, und schon bei einem Spaziergang am Tag hatten wir ein ziemliches Angsterlebnis, als in einer ganz einsamen Gasse hinter uns zwei Männer eine heftige Schlägerei anfingen.
Ja, ein Stadturlaub ist kein Erholungsurlaub. Schön war es trotzdem, froh bin ich, dass alles geklappt hat und wir heil hin (mit einem TGV, der optisch unerwarteterweise ein wenig an eine Brandenburger Regionalbahn erinnerte, aber anders als Brandenburger Regionalbahnen schneller als 300km/h fährt) und heil wieder zurück gekommen sind. Nicht ganz heil war der Hannoverliebste, den in Paris eine heftige Erkältung erwischte – mich dann erst in der Nacht nach der Rückfahrt, zum Glück.

Gerne hätte ich jetzt nochmal eine Pariswoche, genau jetzt, meinetwegen in der gleichen Ferienwohnung mit dem wunderschönen Morgenblick über die Dächer und der nachts schrecklich quietschenden Tür zur Toilette – ich wüsste genau, was wir jetzt als nächstes machen würden, die kleinen Dinge nämlich: Den Friedhof Montmartre besuchen. Das Picasso-Museum, das Orangeriemuseum. Am Kanal Sankt Martin langspazieren. Zu einem Flohmarkt fahren. Gerne würde ich weiter in der fremden Sprache baden, Werbeplakate, Schilder, Überschriften lesen – und überhaupt: ich bin mächtig stolz auf mich, dass ich mich mit meinem rudimentären Französisch an Metroschaltern und Marktständen, in Bäckereien und Restaurants, an Sicherheitsschleusen und im Gespräch mit dem Vermieter der Wohnung einigermaßen durchschlagen konnte.

Aber diese zweite Pariswoche gibt es leider nicht. Stattdessen: Aufraffen nach drei Tagen Erkältungsauszeit. Den müden Kopf wieder anstrengen. Irgendwas Schönes aus den dunklen Nachmittagen und Abenden machen.

9 Gedanken zu „Wald und Stadt

  1. Karen

    „Faltschlange“, was für ein treffendes Wort! 🙂

    So einen Brandenburger-Regionalbahn-Doppelstock-TGV sahen wir in München auf dem Bahnhof, ich war auch sehr erstaunt.

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    1. Greta Autor

      Überhaupt sind die französischen Bahnen ein bißchen enger und die Sitze kleiner, fanden wir; auch in der Metro. Ich fand es schön, mal wieder selbst zu erleben, dass man einfach mit dem Zug so eine Reise machen kann. Und irgendwann möchte ich ins Baltikum, dazu habt Ihr mich inspiriert. Liebe Grüße!

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