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Der Duft der Freiheit

Der weiße Sonnenschirm führt übers Jahr ein zurückgezogenes Leben auf dem Balkon des Hannoverliebsten.

In diesem Sommer aber durfte er im Kofferraum des grünen Autos nach Dänemark reisen und das dänische Ferienhausleben kennenlernen.

Das Meer hat es dem weißen Sonnenschirm angetan.

So fest man ihn auch im Sand zu verankern sucht, er nutzt jede Windböe, um sich kopfüber Richtung Wasser aufzumachen.

Stellt man ihn abends zum Trocknen an den Holzzaun, der einen Sichtschutz zwischen unserer Terasse und der Straße bildet, macht er sich mit einem gewagten Kopfsprung über den Zaum meerwärts selbständig.

Am Ende bleibt uns nichts übrig, als ihn – damit er trocken genug wird, um zusammengeklappt auf sonniges Wetter zu warten – ins Trampolin zu sperren, wo er sich die Nase sehnsüchtig an der meerwärtigen Seite des Netzes plattdrückt.

Lässt der Wind nach, hüpft er heimlich ein wenig, wo sonst die Jungs springen.

Bevor er ganz getrocknet ist, kommt der nächste Regenschauer.

Alberne Sportverletzungen

Frühlingsstimmungtief trifft PMS trifft ein bisschen zu viel Alleinsein. Gut, dass mir die sonntagvormittägliche Zumba-Stunde einfällt, zu der die ehemalige Nachbarin manchmal geht. Da kann man kostenlos probehüpfen – wo das Krankenkassen-Mitgliederblättchen doch kürzlich mahnend geschrieben hat, man verbringe die Zeit, in der man jetzt keinen Sport treibe, später mit schrecklichen Krankheiten.

Zumba also. Ein schöner heller Raum, eine nette junge Kursleiterin. Zwischen den sieben oder acht Frauen, die nach und nach in den Raum kommen, tatsächlich ein Mann, nanu? Mir schaudert, als wir uns vor der Spiegelwand aufstellen müssen. Hopsen ohne Kondition mag gerade noch angehen, aber mich dabei auch noch sehen können? Der innere Kritiker runzelt schon die Stirn, nein, er facepalmt. Ich hefte meine Blicke fest auf die Kursleiterin, damit ich nicht sehe, wie ich hilflos dem Takt und ihrer Choreographie hinterherstolpere; Anleitung gibt es nicht, das eine oder andere aufmunternde „Hep!“ muss reichen, wenn plötzlich wieder eine andere Bewegungsfolge beginnt.

Meine wichtigste Probestundenerkenntnis ist, dass das hier mit Tanzen weniger zu tun hat, als die Zumba-Werbung mir suggeriert hatte. Es läuft Musik – na gut; lateinamerikanisch mag sie auch sein; ansonsten ist das hier einfach nur Sport; Brachalfitness statt tänzerischer Sinnlichkeit und Leichtigkeit.
Trotzdem ist es eigentlich garnicht so schlimm. Alle kommen aus dem Takt, alle sind nach einer Weile ziemlich fertig. Alle lachen. Meine frühere Nachbarin ist da, ihr Spiegelbild grinst mich aufmunternd an, und nach einer Dreiviertelstunde gibt es langsamere Musik und Dehnübungen. Wenn ich heimlich meinen Bauch wegtrainiere, mir schickere Sportklamotten kaufe und mich beim nächsten Mal da rechts hinten ganz in die Ecke stelle, wo mich niemand sieht… dann könnte ich vielleicht sogar bei Gelegenheit wieder mitmachen.

Als ich hinterher mit meiner ehemaligen Nachbarin noch auf einen Chai Latte zusammensitze, sehe ich das alles jedenfalls schon wieder ganz optimistisch. Bis ich aufstsehe, um an der Theke zu zahlen. Autsch… Ich weiß garnicht, auf welchem Fuß ich zuerst hinken soll.

Irgendwie habe ich es geschafft, mir zwei ganz große Blasen auf den Unterseiten beider großer Zehen zu erhopsen.

Reif für die Insel: Goldene Bahnfahrermedaille

Niemand ist so verrückt wie wir. In Gummistiefeln – weil der Himmel voller schwarzer Wolken hängt, als wir am Morgen zur Inselfähre wandern und weil hinterher einfach nirgendwo Ruhe und Platz zum Schuhewechseln ist – fahren wir 10 Stunden lang aus dem Urlaub in den Urlaub, von der Nordsee zur Ostsee, aus Ostfriesland nach Dänemark, wo meine große Schwester uns noch für ein paar Tage in ihr Urlaubshäuschen eingeladen hat.
Wir fahren Fähre und Bus, kleine Regionalbahnen, in denen Radfahrer böse Blicke auf unser im Radfahrerbereich abgestelltes Gepäck werfen, steigen in allerlei Kleinstädten um, vertreiben im IC von Norddeich Mole Leute von unseren Plätzen, schleppen unser Gepäck nach einer halben Stunde wieder zur Tür und in den nächsten IC zu den Urlaubern, die nach Sylt unterwegs sind. Der ICE nach Kopenhagen bleibt in Puttgarden stehen, weil das dänische Zugbegleitpersonal nicht da ist, aber irgendwann rollen wir doch in den Schiffsbauch und dürfen aus den Zug klettern. Und noch eine Weile später sind wir endlich da.
Meine Kinder haben irgendeinen goldenen Bahnfahrpreis verdient, geduldig machen sie das alles mit – und wir sind inzwischen absolut eingespielt. Fünf Minuten Umsteigezeit in Hamburg, von Gleis 13 nach Gleis 5, wenn die Rolltreppe kaputt und der Aufzug voll ist? Kein Thema, trotz unserer fünf Gepäckstücke kriegen wir das hin und steigen trotz umgekehrter Wagenreihung dort ein, wo unsere Plätze sind.
Aber nach jeder Bahnreise fühle ich mich, als wäre es die schlimmste gewesen, die wir je gemacht haben.
Zum Glück sind wir dann abends da, gehen am Meer entlang und haben nochmal ein paar Urlaubstage vor uns. Und trotz der schönen Zeit auf der Nordseeinsel ist das hier das richtige Meer: die gute alte Ostsee, verlässlich ans Ufer rauschend, mit ihrem Strand voller Herzsteine und grobem Sand und toten Glockenquallen und glattgeschliffenen Glasscherben, die die Jungs sofort un die Wette zu sammeln beginnen.
In ein paar Tagen müssen wir wieder Bahnfahren. Aber daran denke ich heute mal noch nicht.

Pilgernotizen 5

Was eigentlich unterscheidet das Pilgern vom Wandern?
Dass das ‚Warum‘ immer ein bisschen größer ist als nur ‚Bewegung an der frischen Luft‘? Dass man eine Frage stellt, versucht, eine Krise zu bewältigen;  das Leben in Bewegung zu bringen, indem man die Füße sich bewegen lässt – und, wenn man es so formulieren mag, Gott zu begegnen hofft? Dass man ein Ziel hat – Rom, Santiago – auch wenn man selbst die Bedeutung setzen muss, die man dem Erreichen dieses Ziels beimisst? –   Pilgerwege haben jedenfalls ihre Besonderheiten: sie haben eine Richtung und sind auch nur in diese eine Richtung beschildert. Ach, wir freuen uns über jede der freundlichen blau-gelben Muscheln! – inzwischen erkennen wir sie schon von weitem.
Pilgerwege sind ‚vorgeschrieben‘ und nehmen den, der sie geht, damit – wie alte Kirchenlieder oder Gebete – in die Gemeinschaft derjenigen hinein, die schon früher hier waren, hier gegangen sind.
Und die Belohnung für den, der sich an den Weg hält, sind die Stempelstellen. Jedes kleine Feld auf unseren Pilgerausweisen, das wir mit dem Stempel einer Kirche, eines Gasthofes oder einer Pilgerherberge füllen, macht uns schon am zweiten Tag – nachdem Plan G uns 16km weitergebracht hat – auf sonderbare, beinahe kindische Weise froh und stolz.

Pilgernotizen 1

Eine nach der anderen die Türen hinter mir schließen: die von der Kita, wo ich mich vom Sechsjahrigen verabschiedet habe; die beim Vater meiner Kinder, dem ich ihre Jacken und Sportsachen und Chipkarten und die ganze Verantwortung dalasse; meine Wohnungstür und viel später noch die Bürotür. Die Zugtür klappt zu und ich winke dem liebsten Freund zu, der mich zum Bahnhof begleitet hat.
Im Zug rechne ich aus, dass mein Buch ein Kapitel weniger hat als meine Reise Tage. Draußen blühen Heckenrosen, Holunder und Akazien, die Elbe spiegelt dicke dunkle Wolken. Meine ganz große Schwester steigt genau da aus ihrem Zug, wo ich stehe und warte.
Das Abenteuer kann beginnen.

Träume, Fäden, Schritte

Wenn ich 40 werde – so mein langgehegter Traum – möchte ich eine größere Auszeit nehmen und den Jakobsweg laufen. (Und dabei, so die geheime Absicht, endlich das Leben verstehen, meine Berufung finden und den Mut, allesalles ganz anders zu machen).

Ich muss dieses Projekt teilen, wurde mir irgendwann klar, ich möchte nicht sechs Wochen lang meine Kinder nicht sehen. Also nicht einmal sechs, sondern zweimal drei Wochen. Warte nicht so lange, geh das doch schon eher an, hat ein Freund vor einem Jahr geraten, und so kam es, dass ich mir Wanderschuhe gekauft und meinen Chef angesprochen habe. Weil aber ein größeres Arbeitsprojekt ansteht, wurden aus den gewünschten vier freien Wochen irgendwann eine, aus dem Jakobsweg in Portugal erst der von München an den Bodensee und nun schließlich der sächsische. Ein Hans-im-Glück-Pilgerprojekt, das sich mehrfach in etwas anderes verwandelte und kleiner und kleiner wurde, bis es nun endlich vor der Tür steht.

Hinter der Tür, in meiner Wohnung, steht der gepackte Rucksack. Ich habe keine Waage, aber er ist bestimmt schwerer als die empfohlenen 10% meines Körpergewichtes. Aber er enthält nur Unverzichtbares (glaube ich, weil meine Schultern ja noch nicht wehtun), den Schlafsack, das kleinste Duschgelpröbchen, viel zu wenig Kleidung, die Wanderkarte, den Reiseführer, ein paar Müsliriegel, Blasenpflaster und Allergietabletten. Und ein Buch.

Mein Pilgerbuch ist „A Field Guide To Getting Lost“ von Rebecca Solnit. Dass ich dieses Buch entdeckt habe und nun mitnehmen kann, verdanke ich meinem neuerworbenen Smartphone, das ich dabeihatte, als ich traurig auf der Rückfahrt von einem Wochenende mit dem liebsten Freund war und in der S-Bahn, weil ich niemanden ansehen wollte, die Word-Press-App ausprobierte, die so eingestellt war, dass ich zuerst die unter der Rubrik „freshly pressed“ empfohlenen Artikel zu lesen bekam. In einem von denen berichtete eine Frau davon, dass sie gerade dieses Buch las – und von einer Wanderung mit ihren Kindern durch den Schnee (Wo kam diese Bloggerin her? Wo liegt gerade Schnee? Ich weißt es nicht.), zu der die Lektüre des Buches sie angeregt hatte.

Eine Anleitung zum Verlaufen und Verlorengehen. Das gefällt mir. Inzwischen habe ich Rebecca Solnits „The Faraway Nearby“ gelesen, eines der wunderbarsten Bücher über das Geschichtenerzählen (und über Empathie, Aprikosen, die Arktis, Labyrinthe, Motten, Kunst, Zufälle, Identität, die Alzheimererkrankung ihrer Mutter und noch ein, zwei Dutzend andere Themen); und „Wanderlust“, ihre Kulturgeschichte des Wanderns, liegt für die Wochen nach der Pilgerreise als Lektüre bereit. Ich habe eine neue Lieblingsschriftstellerin.

Geschichten vergleicht Rebecca Solnit mit Fäden – und wie letztere auf Spulen oder zu Knäulen gewickelt werden, können Geschichten Zeile um Zeile in Büchern zusammengefaltet werden (um sich in der Vorstellung des Lesers wiederum zu entfalten) – wobei sie auch Labyrinthen ähneln, die, schreibt die wunderbare Essayistin, eigentlich nichts anderes als klein zusammengefaltete Wege sind. Ich mag ihre Vergleiche.

Auf den langen Faden, zu dem wir unsere Schritte auf der Pilgerreise aneinanderreihen werden; auf die Geschichten, die wir erleben, wenn wir tatsächlich tun, was ich mir schon so lange vorstelle: losgehen mit den paar Kleinigkeiten auf dem Rücken, mit dem man auskommen kann; den Weg, der auf der Karte zu sehen ist, Schritt für Schritt in Wirklichkeit erleben, offen für das, was uns unterwegs begegnet, offen für das Unerwartete und auch das Anstrengende, den Regen und die schmerzenden Füße und die Möglichkeit des Verlorengehens und mit der Hoffnung, das Alltagsleben möge aus der Ferne ein klein wenig unvertraut werden und deshalb hinterher ein wenig anders, ein wenig neuer sein – darauf freue ich mich jetzt.

Meine ganz große Schwester denkt darüber nach, ein Buch über das Ankommen (bei sich, in der Stille des Herzens) mitzunehmen.

Wir werden uns wunderbar ergänzen.

Mama kauft ein Smartphone

Ob ich das wirklich will? Ob ich das wirklich brauche? Zweifel plagen mich, als ich mich ein bisschen eher aus dem Büro schleiche, um zu einem dieser Riesenkaufmärkte zu fahren, deren unterirdische Etagen sich in bisher unerforschte Weiten erstrecken und in denen alles – einfach alles – angeboten wird und in denen die schiere Fülle an 30 Sorten Cheddar mir noch den letzten Appetit auf Käse verderben würde. Aber weil es hier alles gibt, gibt es hier auch das Smartphone, von dem eine Bekannte mir gesagt hat, dass es sich für meine Zwecke bestimmt gut eignen wird.

Und genau diesen Schubs habe ich gebraucht.

Unsicher frage ich an der Eingangstheke nach den Technik-Angeboten. Zum Glück gerate ich an eine Verkäuferin, die von genausoweit oben aus der Zeit gefallen zu sein scheint wie ich; vielleicht ist sie ein paar Jahre älter, ihre Jahre leuchten rot über dem traurigen Verkäuferinnenkittel, sie holt das Objekt meiner Kauflust aus der Vitrine und schaltet es mir sogar ein, obwohl das, wie sie sagt, „sonst nicht gemacht wird“. Ich darf mir also den leuchtenden kleinen Bildschirm angucken, so lange ich ja bloß nix mache, aber ich würde mich sowieso nicht trauen, auf dem kleinen Gerät herumzuwischen, das mich gleich darum bittet, doch diese oder jene Einstellung vorzunehmen.

Kurzentschlossen – und weil die Verkäuferin nicht versucht, mir unverständliche technische Features anzupreisen, sondern meine Sprache spricht und schlicht „das ist kein schlechtes Gerät“ sagt – kaufe ich mein allererstes Smartphone. Ich tue das für meine Kinder, rede ich mir ein, die sollen nicht als digitale Analphabeten ins Leben gehen.

Ihre Sim-Karte können sie oben im Elektronikmarkt ausstanzen lassen, verrät mir meine heutige Lieblingsverkäuferin noch. Ich habe noch ein paar Minuten Zeit, ich fahre gleich mal nach oben. Hinter einem kleinen Werbetisch steht ein Mann im Elektronikfachmarktpullover, der schnelles Internet verkaufen soll, aber nicht aussieht, als ob er damit viel zu tun hat, den spreche ich an. Hilfsbereit klappt er mein altes Handy auf und fischt die Sim-Karte heraus, ja, da lässt sich was machen. Sicherheitshalber setze ich mich auf einen Kaffee zum Italiener gegenüber und schreibe alle Telefonnummern aus dem Adressbuch meines alten Handys in meinen Papierkalender ab. Und dann gehe ich mit klopfendem Herzen zurück zu dem freundlichen schnelles-Internet-Verkäufer. Knack, da ist der kleine Chip aus meiner zehn Jahre alten Sim-Karte ausgestanzt. Ungeschickt rupfe ich das Kästchen mit meinem neuen Gerätchen auf, Sim-Karte und Akku werden eingesteckt, und nachdem ich mit zitternden Händen eine gefühlt unendliche Zahl an Fragen beantwortet und das Einrichten einer gefühlt unendlichen Zahl von Accounts und Konten abgelehnt habe, von denen mein oberschlaues neues Smartphone meint, dass ich sie von nun an dringend brauchen werde, finde ich endlich das Adressbuch – es ist heile geblieben. Ich atme auf.

An der Bushaltestelle versuche ich gleich mal, meine erste sms zu schreiben. Bei der zweiten kriege ich das mit den Buchstaben und Satzzeichen dann schon einigermaßen hin.

Meine Kinder sind hellauf begeistert. Mama hat ein Smartphone! Der Zehnjährige guckt mich mit neuer Hochachtung an. Der Sechsjährige erklärt mir, dass es eine Maus-App gibt, bei der man ganz besondere Spiele „mit Wischen“ spielen kann, das geht doch nur auf einem Smartphone, ich darf doch dann bestimmt mal spielen, ja Mamiiiie???

Erstmal ist daran nicht zu denken, erstmal muss ich selber mit dem Telefonchen klarkommen. Die Lernkurve ist steil. An diesem Abend vernachlässige ich meine Söhne, finde dafür aber heraus, wie ich zu einer Art Startseite komme, wie ich einen Anruf annehme und wie ich eine kleine Internet-Flatrate buche. Ich googele außerdem aus Versehen „Quinoa“, kaufe beinahe eine All-Inclusive-Flatrate für teures Geld, lade auf der Suche nach einer WordPress-App 1MB irgendwas aus dem Internet herunter, rufe ungewollt den Vater meiner Kinder an und beppe mir ohne Absicht das Browser-App-Logo gleich mehrfach auf einen meiner fünf Startmenübildschirme.

Ruhig, ruhig, rede mich mir bei jedem Missgeschick gut zu, das wird schon. Ich werde einfach eine Liste mit Fragen schreiben und jeden Tag eine davon beantworten. Das muss reichen.

Als ich versuche, in meinem alten Handy noch ein oder zwei unbeantwortete sms nachzulesen, fragt es mich vorwurfsvoll nach seiner Sim-Karte und ist nicht bereit, ohne sie auch nur noch ein Wort mit mir zu wechseln.

Jetzt habe ich nicht nur Herzklopfen, weil ich das Denken neu lernen muss – Denken in ganz neuen Wisch-Bahnen, die sich irgendwer ausgedacht hat, als er all diese unverständlichen Funktionen auf unverständliche Weise in dieses Gerät gepackt hat -, sondern ich habe außerdem noch ein schlechtes Gewissen meinem kleinen, treuen, unverwüstlichen alten Handy gegenüber. Traurig bette ich es aufs Regal.

Und dann schnappe ich mir mein Smartphone und finde raus, wie ich eine App runterlade.

Ferienfahrt mit Niklas

Unsere Osterferienreise habe ich an einem warmen, sonnigen Wintertag geplant.
Zwei Tage bei Köln – wir können den Dom besuchen und im Siebengebirge wandern, sagte meine Freundin, die Patchworkmama, am Telefon.
Und in Kassel wollten wir danach auch noch Station machen.

Frohgemut machten wir uns auf den Weg – in den Urlaub mit dem meisten und schlechtesten Wetter, den wir je erlebt haben.

Zum Glück setzte der Hagel erst ein, als wir aus der offenen und zugigen Spitze des Turms vom Kölner Dom gerade wieder herausgeklettert waren. Zum Glück wehte der Wind niemanden in den Rhein, als wir dort flache Steine über das Wasser flitscherten. Zum Glück fiel keiner der Bäume neben dem Spielplatz uns auf den Kopf, als wir die Kinder ein paar Minuten toben ließen.

An Wanderungen jeder Art war nicht zu denken. Indoorspielplatz, stattdessen.
Über Nacht kippte der Sturm das Spielhäuschen im kleinen Garten unserer Freunde auf den Zaun zum Nachbarn, stellte den Terassentisch senkrecht an die Wand und traumatisierte nachhaltig das weiße Kaninchen der Kinder.
Während die insgesamt sechs Kinder durchs Haus tobten und innen Chaos und Verwüstung hinterließen, knickte draußen der Sturm Bäume auf die Bahnlinien, auf denen wir doch am nächsten Morgen weiterreisen wollten.

Kassel erreichten wir dann doch. Kaum waren wir angekommen, setzte anhaltender Schneefall ein. Wo ist unser Schlitten, wir wollen rodeln!, jauchzte die Urgroßcousine meiner Söhne. Mama, jammerte der Sechsjährige bei unserem tapferen Versuch, bei Matsch und Schnee in Kassels berühmtem Bergpark wenigsens spazierenzugehen, schon nach wenigen Schritten: Mama, der Weg ist in meinem Schuh drin!

Also Indoorprogramm, auch hier. Der Zehnjährige durfte mit seiner Urgroßcousine im Naturkundemuseum die Dinosaurier füttern (eine tolle Ausstellung!), der magenkranke Sechsjährige derweil bei Verwandten auf dem Sofa einen Genesungsschlaf halten.

Jetzt sind wir zurück.
Über Berlin strahlt die Sonne.

Wir haben in den letzten Tagen sehr, sehr viele Gesellschaftsspiele gespielt. Wir haben eher wenig frische Luft bekommen. Wir haben viele, viele Kilometer mit der Bahn zurückgelegt, die erstaunlich schnell ihre Strecken wieder betriebsbereit hatte und mich mit guter, freundlicher Beratung zu alternativen Verbindungen überrascht hat. Wir haben uns Freunden und Verwandten zugemutet – ohne eigenes Auto, dafür aber mitsamt der Zappeligkeit und Ruppigkeit des Zehnjährigen und mitsamt den absonderlichen Essgewohnheiten des Sechsjärhigen – die wir vorher noch nie besucht haben. Ich habe zwei andere Modelle von Familienleben erlebt, beide weit weg von der klassischen Papa-Mama-Kind-Variante.

Und das war anregend.

Ich komme zurück und möchte sofort ein riesiges Um-die-Ecke-Sofa haben, weil da bei der Patchworkmama immer alle so gern gekuschelt haben. Ich komme zurück und werde von nun an am Wochenende vielleicht öfter mal abends kochen, weil ich erlebt habe, dass es schön ist (und niemanden stört), wenn der Tag nicht von der Zubereitung eines Mittagessens zerhackt wird. Ich komme zurück und nehme mir vor, meine Kinder vieles selbständiger machen zu lassen, weil meine Freundin das tut und es so schafft, trotz der zweitweise vier Kinder in ihrem Haushalt auch selbst manchmal auf ihrem herrlichen Sofa zu sitzen.

Und ich werde technisch aufrüsten. Es ist so weit, tatatata….. Ich komme zurück mit dem Vorsatz, nie wieder ohne eigenes Smartphone Abenteuerreisen zu unternehmen. Nie wieder ohne universelle Informationsmöglichkeiten in der Handtasche irgendwo auf dem Land in einen Sturm zu geraten.

Weniger und mehr… die ersten anderthalb Wochen

Fastenvorsätze zu fassen ist tatsächlich viiiiel einfacher, als sie dann auch umzusetzen. Sogar, wenn es sich nur um ganz, ganz kleine Vorsätze handelt.

Mein Laptopfasten hat noch nicht besonders gut geklappt. Für die Tage, an denen ich den Computer abends nicht nochmal anschalten wollte, habe ich mich meistens zum Telefonieren verabredet. Das hätte ich ohne Fasten aber auch gemacht. Außerdem habe ich das kleine Wort „abends“ zum Mogeln benutzt – und tagsüber dann doch auch mal die privaten Mails gelesen. So richtig gefastet war das also noch nicht.
Dann kam auch noch ein heftiger Virusinfekt beim Sechsjährigen dazu und dass ich mich – kaum hatte der Vater meiner Kinder die Pflege übernommen – selbst krank ins Bett zurückgezogen habe. Wie groß die Verlockung doch ist, mal eben einen kleinen Krimi zu gucken, wenn der Kopf brummt. Einfach nix mehr denken. Aaaaah… Oder diesen halb-krank/halb-genesen-Zustand zu nutzen, um endlich mal wieder auf meinen Lieblingsblogs herumzustöbern… In Ausnahmesituationen lasse ich also Ausnahmeregeln gelten. Auch für mich.

Dem Zehn-Minuten-Vorsatz erging es ein wenig besser. In den ersten Tagen habe ich abends im Bett das Licht noch zehn Minuten lang angelassen – und über all das nachgedacht, was mir sowieso Sorgen macht. Dann habe ich beschlossen, dass ich ein RItual brauche. Küchentisch. Kerze. Am Küchentisch höre ich also abends den Nachbarn zu, wie sie ihre Kinder anbrüllen und den S-Bahnen, wie sie vorbeirumpeln; denke über mein Leben nach – und merke, dass zehn Minuten ganz schön lang sein können.
Inzwischen liegen ein paar Meditationsbücher neben meinem Bett, vielleicht inspirieren die mich ja.
Gestern habe ich durchs Fenster dem Abendstern zugesehen, wir er durch die Zweige des kahlen Hinterhofbaums wanderte. Das war schön.

Iim Bücherregal bin ich vor ein paar Tagen auch mal wieder auf Julia Karnicks Brigitte-Kolumnen gestoßen – und mittendrin passend zum Thema auf die, in der sie von den Fastenvorsätzen eines befreundeten Paares erzählt:
Im ersten Jahr wollten die auf Fernsehen verzichten, und gingen deshalb immer aus und tranken sehr viel. Im zweiten Jahr wollten die auf Fernsehen und Alkohol verzichten, und luden daher immer viele Freunde zum Essen zu sich ein und nahmen ordentlich zu. Im dritten Jahr wollten sie auf Fernsehen, Alkohol und Fleisch verzichten, weshalb keiner mehr zum Essen kommen wollte und die beiden allein auf dem Sofa Trost in besonders vielen Süßigkeiten fanden.
Ob ein weiteres Kind kam, nachdem die beiden im nächsten Jahr auch noch auf Süßigkeiten verzichtet haben? Das ist leider nicht überliefert.

In diesem Sinne: Allen, die diese sieben Wochen für sich besonders gestalten, wünsche ich weiterhin eine gute Zeit.

Weniger und mehr

Im letzten Jahr hat mich beeindruckt, dass ich auf vielen Blogs von Fastenaktionen gelesen habe. Also, Fasten nicht im Sinne von Kilos-Weghungern, sondern als Begehen der Fastenzeit vor Ostern.

Dieses Jahr habe ich auch darüber nachgedacht, ob ich in dieser Zeit ausprobieren möchte, irgendetwas anders zu machen. Und ich habe zwei kleine Vorsätze gefasst (mit großen ist es sowieso aussichtslos):

Ich möchte meinen privaten Computer in den nächsten Wochen jeden zweiten Tag ausgeschaltet lassen. Nicht, weil ich meine Mails nicht mehr beantworten möchte oder weniger bloggen möchte – sondern um wiederzuentdecken, was die Abende früher eigentlich gefüllt hat, als nicht ständig irgendwas dringendes am Rechner zu tun war.

Und ich möchte mir – vielleicht jeden Morgen, vielleicht jeden Abend – zehn Minuten Zeit zum Nichtstun nehmen. Nicht, weil ich hoffe, dass das ausreicht, um erleuchtet zu werden oder sonstige spirituelle Höhenflüge zu starten. Aber um zu schauen, was geschieht, wenn ich ganz still bin.
Ich war ziemlich erschrocken, als ich vor einiger Zeit von einer Studie gehört habe, deren Ergebnis es war, dass viele Menschen Stille und Alleinsein mit sich selbst kaum noch aushalten können – und eigentlich möchte ich nicht, dass es mir auch so geht.

An meinen Computer-Abenden werde ich nach anderen BloggerInnen suchen, die über ihre Fastenerfahrungen schreiben. Vielleicht tauschen wir uns aus? Heute wünsche ich allen, die sich wie ich kleine oder ganz mutig große Fastenziele gesetzt haben, einen guten Beginn dieser besonderen Zeit.