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Adventswochenende

Im Schlafanzug die Lieblingsplätzchen des Zehnjährigen backen
Nach dem Vierzehnjährigen Ausschau halten, der einkaufen wollte und erstaunlich lange wegbleibt
Die Besuchsfreundin, die allerliebste, begrüßen und umarmen
Kochen Essen Abwaschen (da capo ad libitum) und Kaffee, und Reden
Mit dem Vierzehnjährigen streiten, der so gar keine Lust hat, sich auf die Englischklassenarbeit vorzubereiten
Spielerunde mit quirligen Kindern
Doch einen Stern falten, und dann noch einen
Dem Vierzehnjährigen englische Youtube-Filme über Australien raussuchen
Mit der Besuchsfreundin im Internet nach der perfekten Pfanne suchen (mit Titanic-Beschichtung und Hotspot)
Ins Batt fallen

Früh um acht Uhr Brötchen und Croissants holen
Dabei in meinem Gummistiefel ein verspätetes Nikolausgeschenk vom Zehnjährigen finden
Mit der Besuchsfreundin spontan auf den kleinen Weihnachtsmarkt fahren
Ihr an der Bushaltestelle das ganze Elend einer Textnachrichten-Kommunikation mit einem potentiellen Date zeigen
Schmuck aus pflanzlichem Elfenbein bewundern, Creme de Leche kosten, an gefilzten Quallen freuen
Kochen Essen Abwaschen (da capo ad libitum) und Kaffee
Die Besuchsfreundin zum Abschied fest umarmen
Den Vierzehnjährigen motivieren, doch noch eine Seite Englisch schreiben zu üben
Dienstlaptop anschalten und etwas Arbeit, bis der Chef vom Chef offiziell durchgibt, dass alles auf Montagmorgen verschoben ist
Abendessen und dabei Menü und Programm für Heiligabend planen
Den Zehnjährigen an Mathe-im-Advent erinnern und die Phyisk-im-Advent-Aufgabe mit halben Ohr mitkriegen
Textnachrichten von lieben Menschen
Küche aufräumen und gut vorbereiten: Montag müssen beide Kinder zur 1. Stunde
Bügelbrett aufstellen, Kopfhörer auf, superkitschigen Weihnachtsfilm an

Bloggen, Wecker stellen.

WmdedgT – 5.12.2019

Ein letztes Mal in diesem Jahr lädt Frau Brüllen uns zum Tagebuchbloggen ein. Alle Texte dazu finden sich hier.

Gegen halb sechs drifte ich ganz langsam aus einem Traum ins Wachsein. Ich könnte noch eine Stunde schlafen – der Vierzehnjährige hat heute erst zur 2. Stunde Unterricht – aber im Kopf beginnt es sofort zu rattern. Ich entwerfe whatsapp-Antworten, ein Blogtext beginnt sich zu formen, Punkte für die heutige To-Do-Liste fallen mir ein. Um halb sieben stehe ich dann doch auf. Unter der Tür des Vierzehnjährige schimmert schon Licht, mir fällt ein, dass ich seine Handynutzungszeit in der App noch nicht von Papawoche auf Mamawoche umgestellt – d.h. jeden Tag um eine halbe Stunde reduziert – habe, also mache ich das schnell. Dann Bad.

Um Viertel nach sieben bringt der Vater meiner Kinder die Sachen vom Zehnjährigen vorbei, der nach der Schule bei mir eintrudeln wird. Halb acht ist Frühstück, das ist wunderbar spät, der Vierzehnjährige räumt den Tisch ab, während ich schon zur Arbeit losgehe. In der S-Bahn beantworte ich ein paar Handynachrichten, aber eigentlich ist es viel schöner, aus dem Fenster zu schauen, denn der Morgen ist blassblau und sonnig.

Im Büro ist Donnerstagmorgen die beste Zeit, um meine Orchideen zu wässern. Dabei treffe ich in der Küche eine Kollegin – auch alleinerziehend, mit Kindern im gleichen Alter wie ich – , mit der ich kurz austausche, wie viele Klassenarbeiten die Kinder noch schreiben müssen, wie die Stimmungslage in ihrer und meiner Abteilung ist und wer an Weihnachten voraussichtlich wie viel Urlaub nehmen kann. Im Posteingang 3MB Mails mit Arbeitsaufträgen, die mich bis mittags beschäftigen. Kantine. Weiterarbeiten. Trotz Kaffee überfällt mich eine grässliche Müdigkeit, und der undefinierbarer Ziegelstein, der als Nudelauflauf getarnt in meinem Magen gelandet ist, liegt dort so schwer, dass ich auf den Geburtstagskuchen der Kollegin im Büro um die Ecke und auf den von der Geschäftsleitung als kleines Advents-Event ausgegebenen Glühwein lieber verzichte.

Arbeitsende pünktlich um drei, aber nur, weil heute noch Weihnachtsfeier in der Schule des Zehnjährigen ist. Also schnell nach Hause. Der Himmel schon wieder blassblau, die Sonne beleuchtet die vielen Rohbauten entlang der S-Bahn – Eigentumswohnungen, die sich niemand, den ich näher kenne, wird leisten können – jetzt von der anderen Seite. Ich besorge zwei Baguettes. Zu Hause lege ich mich kurz hin und hoffe, die Müdigkeit durch ein Feldherrenschläfchen in den Griff zu bekommen, aber der Vierzehnjährige kommt nach ungefähr einer halben Minute ins Zimmer, um aus den neben meinem Bett gestapelten Plätzchendosen einen neuen Teller voller Naschwerk zusammenzustellen und der Zehnjährige kommt dazu, um sicherzustellen, dass von seinen Lieblingssorten auch genug Plätzchen auf den Teller kommen. Wisst ihr, in was Mütter sich verwandeln, die nicht genug Schlaf bekommen?, ächze ich mit halbgeschlossenen Augen – in schreckliche Monster! – Meine Kinder kichern. Statt Schläfchen setze ich also Kaffee auf. Ich schneide Baguette, hole das vorbereitete Blech mit Datteln im Speckmantel vom Balkon und stecke es in den Ofen, packe Käsecremes, Geschirr, Spiele zusammen. Der Zehnjährige hat in der Papawoche kein Schulessen für Dezember bestellt, das schaffen wir auch noch, bevor wir uns wieder anziehen und uns auf den Weg zur Schule machen.

Gegen halb sechs trudeln Eltern und Kinder erwartungsvoll im Speisesaal der Schule des Zehnjährigen ein. Er ist stimmungsvoll mit Lichterketten geschmückt, es sind Tische gestellt und Plätzchen auf Tellern arrangiert; es gibt Fotos vom Wandertag, den leckersten Schokoladenkuchen, den ich je gegessen habe, und Gelegenheit, mit verschiedenen Eltern ins Gespräch zu kommen, von denen ich erst ganz wenige kenne. Die Kinder toben unterdessen auf dem Schulhof herum und spielen im Dunklen Verstecken und Fange. Nach zwei Stunden knipst der Klassenlehrer unbarmherzich das Deckenlicht an, bittet um Hilfe beim Aufräumen und freut sich sichtlich auf seinen späten Feierabend. Der müde Zehnjährige klagt mir in der S-Bahn sein Leid – diese oder jene Klassenarbeit könnte schlecht ausgefallen, seine mündliche Mitarbeit nicht ausreichend für eine gute Note sein und in seiner Klasse sei er auch nicht glücklich gerade. Meinem müden Kind erscheint die ganze Welt düster; gut, dass wir bald zu Hause sind. Dort muss noch der Ranzen gepackt und „Mathe im Advent“ und „Physik im Advent“ gemacht werden, während ich spüle und der Vierzehnjährige über die Reste herfällt, die wir vom Buffet wieder mit nach Hause gebracht haben.

Der Vierzehnjährige putzt noch seine Schuhe, der Zehnjährige schafft das nicht mehr und handelt mit mir eine Verschiebung des Nikolaustages aus. Meinetwegen, sage ich, und der Vierzehnjährige bietet an, die Schue des Zehnjährigen mitzuputzen (für fünf Euro? drei? einen?), aber der spart sein Geld und bestellt den Nikolaus für Sonntagmorgen. Ich bringe ihn schnell ins Bett. Dann sinke ich selbst aufs Sofa und schaue fern. Ungefähr alle fünf Minuten rufe ich: Vierzehnjähriger! Du musst jetzt ins Bett! – und irgendwann geht er sogar.

Dann nur noch ich. Stille. Bloggen. Gute Nacht!

Tagesnotizen: 12.12.16

Den Morgen vor der Kinderwoche nutze ich für einen Echtzeitversuch, der die Auswahl einer weiterführenden Schule für den Elfjährigen unterstützen soll: Um sieben Uhr fahre ich mit dem Bus den Weg zu drei möglichen Schulen ab und stoppe die Zeit. Lerneffekt: Stadtauswärts sind reguläre 25 Minuten Bus morgens kein Problem. Zurück und bis zu meiner Arbeitsstelle dauert es dann 90.    

Ankunft des Siebenjahrigen am Nachmittag: müde, erkältet, mit dringendem Keyboard-Übe-Bedarf und allerhand neuen, beim Spielkumpel gesehenen Must-Haves für seinen Wunschzettel.

Abends schließe ich im Übermut begonnene und aus Zeitmangel zäh gewordene Projekte ab: Stricke eine leidige Socke zu Ende, koche Marmelade aus den letzten drei der vielen, dicken, wegen ihres Duftes leichtsinnig erworbenen Quitten.

Ich freue mich an meinem mit Verschenk-Kleinigkeiten gefüllten Wäschekorb, beginne rückblicklich über das Jahr 2016 nachzudenken und gehe zeitig schlafen.

Ein guter Tag. 

Tagesnotizen 30.11.2016

Gerate im Büro an meine Stressobergrenze. Nachmittags kommt zur Eiseskälte draußen auch noch Regen hinzu. Durch die Dunkelheit schleppe ich Bastelpapier, Obst und Gemüse, einen sperrigen Regenschirm und den schwer am Regenschirmarm hängenden Siebenjährigen nebst Schulranzen nach Hause.

Unnötiger Streit mit dem Elfjährigen wegen einer schlechten Zensur: der bevorstehende Schulwechsel macht mich nervös; der Dämpfer ausgerechnet in Mathe lässt den Elfjährigen von sich selbst enttäuscht sein und mein Erschrecken so garnicht noch obenauf brauchen.

Das Waldhäuschen für die nächsten Herbstferien buche ich, die Fahrkarte für den Adventsbesuch bei meinem Vater muss erworben, aus Versehen doppelt gelegte Termine müssen geschoben werden.

Am Abend fülle ich die dringend erwarteten Adventsbeutelchen; 13 für den Elfjährigen, 12 für den Siebenjährigen. Die andern liegen schon beim Vater der beiden, und beim Füllen der Beutelchen wird mir klar, dass ich die Vorweihnachtswoche nicht mit meinen Kindern verbringen werde; dass die Leuchtstäbe, die den Kalender krönend abschließen und am Heiligen Abend auf dem Weg zur Kirche leuchten sollten, eine Woche zu früh strahlen und ihre Leuchtkraft verlieren werden.

Der Elfjährige stellt sich überzeugend schlafend, als ich in sein Zimmer schleiche und die Stange mit den Beutelchen an den üblichen Nagel hänge.

„For the Stars“ von Anne Sofie Otter und Elvis Costello wiedergehört, wiederentdeckt. Schon durch andere Vorweihnachtszeiten hat ihre wunderbare Musik mich begleitet, jetzt klingt sie wieder.

Im Advent (13)

Was schön ist:

Dass die Besuchsfreundin sich in unser Virennest wagt, als es mir und dem Sechsjährigen noch richtig schlecht geht, für mich einkauft, den Abwasch macht, auf den Sechsjährigen aufpasst.

Ich hätte gern mal Stoffbeutelchen für Geschenke, sagt sie (meine große Schwester hat das angefangen, Geschenkpapier durch solche Beutel zu ersetzen, die wieder und wieder zwischen den Verwandten hin- und herwandern können, seitdem breitet sich das in Familie und Freundeskreis aus), und da ziehe ich meine Stoffschublade auf, hebe den Deckel von der alten Singer-Nähmaschine, die ich mal vom Sperrmüll gerette habe, und stelle das Nähkistchen mit den bunten Garnen hin. Bitteschön!

Neben meinem Krankenlager entsteht ein Näh-Atelier; auch der Zehnjährige lässt sich das mit der Rechts-Links-Naht zeigen und beginnt, nach den schönsten Stoffen zu kramen; den Geschichtshefter, aus dem er eigentlich lernen soll, wie der Mensch zum Menschen wurde, hat er sowieso in der Schule vergessen. Auf dem Bügelbrett findet sich das Keyboard mit den Weihnachtsliedern ein, die der Sechsjährige üben soll. Und auf dem großen Tisch packe ich zwischendurch Weihnachtspäckchen.

Obwohl es mir schlecht geht, geht es mir richtig gut. Das darf so, versichere ich mir immer wieder; das ist schon ok.

Im Advent (12)

Nur langsam fühlen der Sechsjährige und ich uns besser. Ich habe einen Erkältungsinfekt beigesteuert, er ein wenig Magen-Darm – mit dem Ergebnis, dass wir beide fast eine ganze Woche lang am glücklichsten waren, wenn wir das Haus nicht verlassen mussten und uns irgendwo zwischen Inhaliertöpfen, Ölwickeln, der Zwiebackpackung, einem heißen Tee und den Erkältungstropfen langmachen konnten. Der Zehnjährige musste unterdessen eine hammerharte Schulwoche mit zwei Klassenarbeiten und einem Geschichtstest bestehen.

Aber jetzt ist Wochenende, geht es uns wieder einigermaßen, hat der Große endlich frei.

Und wir fahren einen Weihnachtsbaum kaufen. Im „Tannenparadies“ (Wenn du immer schön brav bist, sprach die große Tanne zur kleinen, wirst du nach deinem Tod ein Weihnachtsbaum…) gibt es nicht nur Tannen, sondern auch Fichten und Kiefern jeder Form und Größe. Der Parkplatz ist voll, wir schlängeln uns zwischen ausparkenden Wagen, über deren Dächer meterlange Bäume vorne und hinten herausragen, zum Eingang. Und beginnen, uns zwischen den waldartig aufgestellten Nadelbäumen umzusehen. „Das ist der Baum des Jahres – eine Korktanne“, informiert uns ein Verkäufer, als wir ein herrliches kleines Bäumchen mit hellen Nadeln und einem hübschen glatten Stamm gefunden haben. „Der sieht nicht nur schön aus, der duftet auch toll!“ Unsere Rotfichten haben auch immer gut gerochen, denke ich mir und ziehe meine Söhne weiter; zu den Kiefern (zu buschig), den Rotfichten (zu dicht), den Blautannen (zu stachelig), den Nordmanntannen (die ich nicht mag, weil sie so seltsam vertrocknen, statt zu nadeln). Es kommt, wie es kommen muss: Der Sechsjährige will die Korktanne, der Zehnjährige entdeckt immer neue wunderschöne Bäumchen und verguckt sich am Ende in eins mit beinahe hellgrauen Nadeln. Ich finde die perfekte und noch dazu preiswerte Fichte. „Das ist eine Blaukiefer“, erklärt der hilfsbereite Verkäufer und lässt damit gewisse Zweifel an seiner Kompetenz aufkommen – aber vielleicht stimmt das mit dem „blau“ ja wirklich.

Obwohl ich ein schlechtes Gewissen habe – immerhin haben die Jungs mir am Morgen geholfen, allerlei Lebensmittelvorräte für die Festtage nach Hause zu schleppen – setze ich mich durch und kaufe mein Lieblingsbäumchen. Zwischen noch mehr Familienautos mit noch mehr riesigen Weihnachtsbäumen, deren Spitzen bestimmt gekappt werden müssen, bevor irgendjemand beim Schmücken der oberen Zweige von der Leiter fallen kann, gehen wir mit unserem lächerlich kleinen, leichten Blaufichtchen zur überfüllten S-Bahn. Über ein paar Sitzreihen hinweg sehe ich eine andere Frau, die auch einen Weihnachtsbaum im Arm hat, das finde ich richtig gut. Neben ihr wippt zwischen den Köpfen der vielen Fahrgäste eine rote Spirale mit weißen Wattekugeln daran – ein minimalistisch interpretierter Weihnachtsmannhut. Heiho, nur noch fünf Tage! Der Sechsjährige strahlt.

Im Advent (8)

Wir haben einen Schrank mit Türen! Fast fertig aufgebaut – einer der Vorteile, Söhne zu haben, ist, dass sie begeistert Schrankaufbauanleitungen lesen, die richtigen Schrauben und Teile heraussuchen und ich nur deshalb noch selbst schrauben muss, weil ihre Kraft noch nicht reicht – nur die Türscharniere muss ich noch feinjustieren; nachdem ich sie schon unter Fluchen und Schimpfen irgendwie zusammengewürgt habe, werde ich das wohl auch noch schaffen.

Der Nikolaus war so freundlich, in den weder geputzten noch rausgestellten Schuhen meiner Söhne trotzdem Nettigkeiten zu hinterlassen. Gut, dass ich ganz, ganz spät am Vorabend noch in meinem WordPress-Reader geschaut und dort einen Blog mit dem Wort „Nikolaus“ im Titel gesehen habe – sonst wäre das richtig schief gegangen.

Meine ganz große Schwester kommt für zwei Tage zu Besuch, schaut mit mir „Die Eleganz der Madame Michel“, bringt die Kinder in die Schule, spielt mit dem Zehnjährigen und mir eine große Runde Baptistenskat, versteckt noch mehr Nikolausgeschenke und hinterlässt einen Müsliadventskalender. Was es nicht alles gibt!

Jetzt wieder umschalten. Kinderloswoche.

 

Im Advent (7)

Die Kisten, in denen der Schrank mit Türen steckt, den der Sechsjährige bekommen soll, gucken mich schon seit Tagen auffordernd an.

Also fange ich am Samstagmorgen an, die Wohnung in Chaos zu stürzen, räume diverse Regale leer, hole einen Rest Wandfarbe und Gips aus dem Keller und die Bohrmaschine vom Vater meiner Kinder.

Der Zehnjährige ist absolut dagegen, dass ein Möbelstück aus seinem Zimmer entfernt wird, wenn das große Bücherregal aus dem Zimmer des Sechsjährigen zu ihm wandert – wir müssen eine Weile diskutieren, bis wir eine gute Lösung gefunden haben; ein kleines Wandregal kommt in den Keller, die anderen Möbel spielen Bäumchen-Wechsel-Dich.

Der Sechsjährige beginnt herzzerreißend zu weinen, als ihm klar wird, dass er seinen neuen Schrank nicht zusätzlich bekommt, sondern sein Regal hergeben muss. Wenn das nicht mehr in meinem Zimmer ist, schluchzt er, will ich nie wieder in dieser Wohnung sein! – Das ist eine finstere Drohung von meinem Wechselmodellkind. Und ich weiß noch nicht mal, wie ich ihn trösten soll. Keiner von uns hat Lust auf diese Hausstaubmilbenallergiemaßnahmen!

Lasst und doch erstmal gucken, was wir unter dem Regal für Schätze finden, schlage ich irgendwann vor, als er lange genug auf meinem Schoß gesessen und geweint hat – und das zieht. Leider finden wir nicht die fehlende Karte vom Verrückten Labyrinth (dabei hätte ich darauf gewettet!), sondern nur jede Menge Steckblumen, die wir doch eigentlich schon lange der Kita gespendet haben, und ein paar vermisste Lego-City-Teilchen. Aber jetzt ist es ok, dass wir das Regal ins Zimmer des Zehnjährigen schieben.

Die Kinder quirlen mir im Weg herum, bis ich sie energisch zum Spielen ins Zimmer des Sechsjährigen schicke, dann mache ich mich unter Ach und Weh daran, die Löcher zuzugipsen, die die Schrauben hinterlassen haben, mit denen die umgestellten Regale gesichert waren; Flecken auf der Tapete auszubessern; Möbel zu verrücken und an neuen Standplätzen zu sichern. Abends sieht das Zimmer meines großen Sohnes richtig schick aus – sein Arbeitsplatz ist schöner als vorher, das neue Regal sieht aus, als hätte es schon immer neben seinem Bett gestanden, der Teppich ist frisch gesaugt und die Staubmäusepopulation deutlich zurückgegangen.

Und zwischendurch waren wir sogar noch im Pfefferberg-Theater, „Des Kaisers neue Kleider“ gucken (sehr nett, sehr spielfreudig, großes Vergnügen). Und große, gelbe oder orange Bälle bestaunen, die vor dem Theater wie Monde leuchtend – zauberschön – in den kahlen Bäumen hängen.

Jaaaa… und morgen mache ich dann die Kisten mit den Einzelteilen des neuen Schrankes auf. Bestimmt…

Im Advent (6)

Je weiter die Woche – eine ziemlich ereignislose Schul- und Arbeitswoche – fortschreitet, desto müder werden wir. Das mit den Vorsätzen für eine gaaaanz ruhige Adventszeit gelingt mal wieder nur bedingt.

In meiner halbstündigen Mittagspause möchte ich mich ein Stündchen auf einen Kaffee mit dem liebsten Freund treffen.
In den 50 Minuten zwischen meinem Arbeitsende und der Abholzeit des Sechsjährigen muss ich einen halbstündigen Umweg zur Lungenärztin machen, um ein neues Rezept für das Kortisoninhalat zu holen, das mein kleiner Sohn noch braucht und das ganz plötzlich „nach nichts mehr schmeckt“.
Sowieso ist es eine dieser Wochen (es muss an der Mondphase liegen – oder daran, dass ich am letzten Wochenende vor allem Plätzchenzutaten eingekauft habe), in der jeden Tag irgendetwas plötzlich alle ist, Brot, Saft, Gurke, Äpfel, Streichkäse -.  Also schleppe ich nachmittags nicht nur den Ranzen des immer noch angeschlagenen Sechsjährigen, sondern auch noch einen Einkaufsbeutel nach Hause.
In der einen Abendstunde zwischen Zuhauseankommenunderstmalspielen und Abendessen muss der Sechsjährige eine unübersehbare Zahl von Seiten in seinem Buchstabenheft nacharbeiten – warum auch immer, es kann nicht allein an seiner Krankheitswoche liegen – und der Zehnjährige eine wie immer unübersehbare Zahl an losen Blättern in seine Hefter einheften und fast genausoviele Tests vorbereiten oder von mir unterschreiben lassen.
In der Stunde zwischen dem Abendessen und der Schlafenszeit des Sechsjährigen müssen die Kinder den Tisch abräumen und muss der Sechsjährige am Keyboard zwei Weihnachtslieder üben; wollen die beiden aber auch die Sendung mit der Maus nochmal sehen, mindestens zwei Kapital aus dem Vorlesebuch hören, und laaaange spielen, ohne dass ich mit genervtem Blick auf die Uhr in der Tür stehe.
Und in der Stunde zwischen dem Gutenachtkuss für den Zehnjährigen und meiner eigenen diese-Woche-aber-mal-eher-Schlafenszeit mag ich noch zwei Stunden mit der großen Schwester oder der Besuchsfreundin telefonieren.

Wenn wir, sinniert Max Frisch ein klitzekleines bisschen altklug in meinem „Anderen Advent“-Adventskalender, mit dem ich mich morgens um dreiviertel Sechs in den fünf Minuten zwischen Aufstehen und Waschen für zehn Minuten aufs Klo verziehe, doch aufhören würden, uns mit den kleinen Hoffnungen aufs Wochenende und auf den Urlaub zu trösten, dann würden wir bestimmt ganz grundlegend die Welt verändern.

Lieber Max, hattest Du mal Grundschulkinder? Oder einen Bürojob? Weißt Du wirklich, wovon Du da schreibst?
Ich weiß nicht genau, was ich tun würde, wenn ich mich nicht aufs Wochenende freuen könnte.
Um mir das auszumalen, fehlt mir die Muße, irgendwie.

Vielleicht denke ich am Sonntag mal drüber nach…

Im Advent (5)

Ich mag es, in diesen dunklen Tagen durch die Straßen zu laufen, auf dem Weg zur Schule morgens oder Nachmittags; die Fenster anzugucken, in denen Schwippbögen leuchten, die Balkone, in denen zwischen Tannenzweigen Sterne strahlen, die Vorgartenbäume, die mit Lichterketten geschmückt sind.

Meine stillvergnügte Freude habe ich aber auch an den weniger heimeligen Auswüchsen des adventlichen Dekofiebers.

An der schrillen Farbkombination der Kugeln am Weihnachtsbaum, der im Firmenfoyer über Nacht aus dem Boden geschossen ist und die auch nicht davon besser wird, dass ich irgendwann die „Corporate Colors“ des Logos darin wiedererkenne.

An der bedauernswerten lebensgroßen Hundefigur im Schaufenster eines Hundefriseurs, die bis zur absoluten Bewegungsunfähigkeit mit einer Schlauchlichterkette gefesselt ist.

An den trashigen Adventsgestecken beim vietnamesischen Blumenhändler, auf denen zwischen Kerzen und großen blauen Stoffblüten ein weißes Reh lagert, hinter dem ein ganz in weiß gewandeter kleiner Weihnachtsmann hervorstalkt.

An dem kleinen Weihnachtsmannhut – vielleicht sieben Zentimeter hoch – der keck seitlich auf dem Kopf des Mädchens sitzt, das in der Grundschule vor uns die Treppen hochhüpft.