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In der Coronakapsel zwischen den Jahren (20/21)

Ruhige Tage in unserer kleinen, kontaktreduzierten Lockdownblase. Coronapod, wie es in englischsprachigen Blogs manchmal heißt, Coronakapsel.

Heiligabend waren wir zu dritt, die Jungs und ich, das kennen wir nun schon seit zwei Jahren so, es war also eingespielt. Ein Spaziergang am Morgen zur ehemaligen Nachbarin, die sogar zu Hause war, ein paar Worte über den Zaun gewechselt und den kleinen Weihnachtsbeutel rübergereicht.
Hinterher zu Hause schmückten wir den Baum, der dieses Mal viel größer ist als sonst, weil die kleinen Fichten alle schon am 3. Advent ausverkauft waren. Dafür nadelt er auch mehr. Bratwürste und Sauerkraut zum Mittag; am Nachmittag ein Fernsehgottesdienst und dann ein Spaziergang bis zur Kirche im Kiez, deren Tür aber verschlossen war.
Abends dann zum ersten Mal die Kerzen am Baum angezündet, Essen mit den Familienspezialitäten – Käsepastete und schlesisches „Häckerle“ – und Sternspiel mit Geschenkeauspacken.

Am ersten Feiertag gingen die Jungs für 24 Stunden zu ihrem Vater und ich verbrachte ein paar Stunden einsam und unglücklich (verflixtes PMS) auf dem Sofa. Dann coronagerechtes Kaffeetrinken bei genau 2 Grad mit der anderen Mitmutter und ihrem Sohn in einer zugigen Holzhütte an der Spree, das rettete meinen Tag. Mit heißem Kaffee, Kerzen in Honiggläsern und viel Süßem. Jemand hatte Plätzchenengel in die Zweige der Sträucher rund um die Holzhütte gehängt, wir waren also nicht die ersten, die Weihnachten draußen feierten. Abends den Beethovenfilm angefangen, wieder einsam gefühlt, mich gegrämt, dass scheinbar alle anderen trotzdem zu ihren Familien gefahren waren, Besuch hatten, alles genau so wie immer machten. Später am Abend klingelte die andere Mitmutter dann nochmal mit einem Geschenk für mich, und aus lauter Coronafrust nötigte ich sie herein und wir verkosteten meine verschiedenen Liköre. Mit Abstand und zwischendurch Maske auf, und das war schön und rettete meinen Tag gleich nochmal.

Am 2. Weihnachtstag kamen der Elfjährige und der Fünfzehnjährige zurück; wir bestellten indisches Essen und genossen es sehr. Noch vor einem Jahr hätten die beiden gerne und viel mit mir gemeinsam spielen mögen; diesmal beschränkte sich das auf eine Runde Siedler von Catan; ansonsten bevorzugen die beiden inzwischen ihre Medienzeit oder machen etwas gemeinsam in ihren Zimmern. An dieser Umstellung knabbere ich noch ein wenig. Abends dann „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“- das verweigern sie noch nicht, außerdem ist ja ein Bildschirm im Spiel. Und außerdem hätte ich den Film sonst alleine angesehen.

Am 27. Dezember reiste der Hannoverliebste an. Seitdem spielt sich ein gemütlicher Schlendrian ein: wir schlafen bis neun, bis zehn gar; frühstücken in Pyjamas; nutzen das Auto des Hannoverliebsten für Ausflüge in den wenigen Sonnen- bzw. Lichtstunden: Müggelsee, Britzer Garten, Langer See. Wir zünden die Kerzen am Weihnachtsbaum an; füllen den Plätzchenteller nochmal und nochmal nach; schauen Filme (den Kleinen Lord, den ich tatsächlich erst letztes Jahr kennengelernt habe, und „Drei Männer im Schnee“, den ich noch garnicht kannte und der auch dem Elfjährigen und dem Fünfzehnjährigen großes Vergnügen bereitete). Am 30. der Jahresrückblick der Brauseboys im Livestream, darauf hatte ich mich mehr gefreut, als es dann wirklich lustig war; aber trotzdem, diese Berliner Lesebühne verdient jede Unterstützung und soll bitte überleben. Außerdem tranken wir per Skype Kaffee zusammen mit der großen Schwester und ihrem Mann und am nächsten Tag mit der ganz großen Schwester und ihrem Mann. (Merke: eine Weitwinkelkamera am Laptop wäre toll, weil sonst vier Personen nicht gleichzeitig zu sehen sind. Und Headsets, die man parallel an den Rechner anschließen kann, würden den Sound noch verbessern)

Silvester wollte der Elfjährige bei seinem Vater feiern, der Fünfzehnjährige aber mit dem Hannoverliebsten und mir. Um unser Einjähriges gebührend zu begehen, hatten der Hannoverliebste und ich dafür Essen in einem französischen Restaurant in Berlin Mitte (trés chic) bestellt und am Silvestermorgen abgeholt. Vier Gänge, zum Fertigstellen zu Hause: Entenbrust und Schwarzwurzeln; ein Pilzsüppchen; Hirsch-Involtini; kleine Schwarzwälder Kirschtörtchen. Leider fehlte dann beim abendlichen Auspacken ein nicht unbeträchtlicher Teil der Zutaten (auch die Menge des Plastikmülls spricht nicht dafür, dieses Experiment häufiger zu wiederholen); satt wurden wir trotzdem am festlich gedeckten Tisch. Der Fünfzehnjährige trank Sekt und Wein mit uns und genoss das Großseindürfen. Um Mitternacht funkelten wir mit Wunderkerzen aus dem Fenster und riefen den Menschen auf den Balkons der anderen Straßenseite gute Wünsche fürs neue Jahr zu. Beschwippst spielten wir Uno bis zwei und wünschten uns, das nächste Silverster wieder in größerer Runde zu feiern.

Inzwischen lässt die Neujahrsmüdigkeit nach. Und unsere gemeinsame Pause zwischen den Jahren neigt sich ihrem Ende zu. Morgen schon reist der Hannoverliebste wieder ab; übermorgen schon muss das Zuhausebüro wiedereröffnen und ich zu einer Zeit am Rechner sitzen, zu der ich gerade am liebsten noch tief schlafe. Übermorgen schon muss die saLzH-Zuhauseschule wieder beginnen. Das Jahr wird Fahrt aufnehmen, sein übliches Programm aus Alltagsstrecken und Feiertagen abspulen; aus Kindergeburtstagen und Frühjahrsmüdigkeit und Steuererklärung und Heuschnupfen und Urlaubswochen und Sommerwärme und goldenen Blättern und vielleicht einer Coronaimpfung und Weihnachtsgeschenkesuche und Adventslichtern.

Was ich mir für 2021 wünsche: Mit meinen Söhnen – vor allem dem Fünfzehnjährigen – mehr ins Gespräch zu kommen und weniger zu streiten. Sie groß und selbständig werden zu lassen. Mit lieben Menschen Zeit zu verbringen, virtuell und analog, online, offline, gerne mit Umarmungen, drinnen und draußen. Dass es genau so schön bleibt mit dem Hannoverliebsten. Gelegenheiten mit fester Hand beim Schopf zu greifen und Neues zu wagen, vor allem im Beruf. Auch außerhalb von Beruf und Kernfamilie etwas zu geben, etwas beizutragen (Ehrenamt und so). Zu singen und zu tanzen. Ja, zur Not auch alleine.