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Im April werde ich…

Ach, das habe ich wieder erst bei der Krähenmutter gesehen (eigentlich stammt die Idee von Frische Brise) – aber ich mag gerne noch mitmachen:

…die Besuchsfreundin besuchen – in ihrer neue Wohnung
…selbst Besuch von der ganz großen Schwester bekommen (seit gestern!) – und vielleicht auch von der großen Schwester
…zwei ganze halbe Tage Urlaub haben
…ein spannendes Buch über Lernstrategien für ADHS-Kinder auslesen und dies und das ausprobieren
…den Zwölfjährigen mit Karten für ein Konzert überraschen, so richtig am Abend und für Große
…rekordverdächtig wenige Ostereier auspusten, färben, bemalen, aufhängen und essen
…mit meinen Söhnen Geburtstagsgeschenke für ihren Vater besorgen
…mit der Mitmutter und unseren Kindern schwimmen gehen, wenn wir alle hübsch gesund bleiben (das war ein Weihnachtsgeschenk an sie, aber manche Dinge brauchen Zeit)
…vielleicht ein Geburtstagsgeschenk einlösen, das ich im letzten Sommer bekommen habe (denn manche Dinge brauchen sehr viel Zeit).
…vielleicht in einen Escape-Room eingeladen werden
…vielleicht mit der leidigen Steuererklärung anfangen
…jeden Morgen auf den Balkon hüpfen und mich daran freuen, wie es dort keimt und wächst und blüht
…jeden Abend die Wetterapp aufrufen, damit ich vor eventuellen Nachtfrösten alles ins Warme holen kann, was ich viiiiiel zu früh rausgepflanzt habe
…in den Kinderzimmern Bilderrahmen mit unseren neuen Linoldrucken aufhängen
…die Korken in den Kleiderschränken mit frischem Mottenschutzöl tränken
…Hornveilchen in die Pflanzschalen für den Friedhof setzen

Tagesnotizen: 11.1.17

Es ist Mittwoch. Mein Dienstags-Zorn ist verraucht; dass es keinen fruchtlosen Streit gab (weil der Vater meiner Kinder am Dienstagabend nicht zurückgerufen hat), verbuche ich als Pluspunkt. 

Jetzt gelten meine Regeln: Wieviel freie Zeit die Kinder brauchen, welche Pflichten sie haben und wann sie nachholen, was in den nächsten Tagen liegenbleibt, handle ich mit ihnen aus. Das fühlt sich sehr viel besser an.

Besuch, verschiedener Besuch für mehr als zwei Wochen am Stück steht ins Haus, das stimmt mich ganz festlich; dazu draußen der wirbelnde Schnee, den ich auf den kurzen Wegen vom warmen Büro zur warmen Bahn zum warmen Zuhause ganz wunderbar finde. 

Der Elfjährige holt den Siebenjährigen ab, so dass mir zwischen Arbeit und Nachmittagsprogramm ein Stündchen Zeit bleibt.

Kein Grund zum Klagen heute. 

2016

2016 war das Jahr, in dem ich das Wort „postfaktisch“ gelernt und meinen Kindern das Wort „populistisch“ erklärt habe. Hätte auf beides auch gerne verzichtet.

2016 war ein Jahr, in dem viel zu oft schon ein paar Minuten Nachrichten am Morgen ausreichten, um auf eine Weise traurig zu werden, die den ganzen Tag einfärbt. Mal abgesehen von Kriegen und Politik: Schmelzende Polkappen; Methan, das ungestört in die Atmosphäre aufsteigt. Wir schaffen es nicht mehr, die Welt zu retten, die wir kennen. Mülltrennen hilft nicht. Ökostrom beziehen reicht nicht. Kein Radio hören ändert auch nichts an der Lage. Wie soll ich das meinen Kindern erklären? Wie sollen sie leben, in 20, 30 Jahren?

Für mich persönlich war 2016 ein Jahr, in dem wenig passiert ist. Außer Älterwerden, das dafür aber um so mehr. Weniger Kraft. Mehr Vergesslichkeit. So oft (wo war ich stehengeblieben?) dieses leere Gefühl im Kopf, manchmal nur grau.

Was ich geschafft habe: Nach Stockholm zu reisen und die Schären zu sehen. Eine Mutter-Kind-Kur zu bekommen. Einen Job-Newsletter zu abonnieren und eine (1) Bewerbung zu schreiben. Meinen Balkon zum Blühen zu bringen. Zwei Paar (4) Socken zu stricken. Mich an die meisten (98) Schul- und Arzt-Termine der Kinder rechtzeitig zu erinnern. Den Alltag am Laufen zu halten. Weiterzumachen.

Was ich nicht geschafft habe: Die Welt zu retten (siehe oben). Irgendwelche guten Vorsätze umzusetzen. Ganz besonders nicht solche, die mit Sport zu tun hatten. Die Stelle zu wechseln. Mit meinen Kindern ausreichend geduldig zu sein.

Was schlimm war (privat und im kleinen): Den Flamenco-Kurs absagen zu müssen, auf den ich mich so(ooo) gefreut hatte. Nach dem Einsetzen der Narkosewirkung die Hand des Elfjährigen loszulassen und aus dem OP zu gehen mit dieser Angstklammer ums Herz: man kann ein Kind auch verlieren. Gelegentlich um fünf Uhr in der leeren Wohnung aufzuwachen mit Herzrasen und dem Gefühl, ziemlich allein auf der Welt zu sein.

Wo ich wirklich glücklich war: Alleine am Meer. In meinem Bett nach langen, anstrengenden Tagen. Auf meiner Geburtstagswanderung mit den Kindern und den liebsten Freundinnen und der ganz großen Schwester. Beim Beerensammeln im Wald. Auf dem Balkon vom Kur-Appartement unter dem großen Sternenhimmel.

Traurigkeiten: Dass es in Berlin so wenig Alltagsfreundlichkeit gibt. Dass liebe, wichtige Menschen in Lebenskrisen getrudelt sind. Dass Freundschaften und Gefühle sich veränderten.

Glücksgeschenke:
Eine neue Freundin zu finden.
Einen neuen Chef zu bekommen, der erst einmal die Überstunden der gesamten Abteilung übernimmt.
Mit der Besuchsfreundin abends im Waldhäuschen zu sitzen und herumzublödeln. Und die Telefonate mit ihr, in denen ausgiebig geklagt werden darf – und sehr viel gelacht wird.
Mit dem liebsten Freund müde auf dem Sofa liegend die Probleme der Welt zu lösen, so theoretisch. Und dabei ein bisschen weniger verzagt zu werden. Der nicht abgeschlossene Strandkorb vor dem Hotel, das uns keinen vermieten wollte (Hah!).
Das unbeschwerte Lachen des Elfjährigen – das so selten ist – und das unwiderstehliche Strahlen in den Augen des Siebenjährigen: Funkelsterne und Sonnenschein.
Manchmal einen ganzen Tag lang allein sein. Manchmal einen ganzen Tag lang nicht allein sein.
Parasolpilze. Ganz kleine gelbe Tomaten.
Wenn bei Kälte, Regen und beginnender Grippe die richtige S-Bahn ohne Wartezeit kam.
Lesen: „Americanah“ von Chimamande Ngozi Adichie und „Vor dem Fest“ von Saša Stanišić. Jan Wagners „Regentonnenvariationen“. Schauen: Jens Steinbergs Malerei. Hören: Dota. Live! Und Lachen: zum Beispiel über die Weihnachtspostkarte von der Besuchsfreundin. „Stress, Stress“, schnaubt das schweißgebadete Rentier vor dem Schlitten. „Du atmest falsch“, sagt der Weihnachtsmann, der hinten die Zügel in der Hand hält.

Weiter (falsch) atmend und weiter hoffend und dankbar für die Menschen, die für mich da sind und dankbar für die Menschen, für die ich dasein darf – so will ich ins neue Jahr gehen. Uns allen wünsche ich, dass es ein besseres, ein gutes Jahr wird.

Cheers!

 

Stille Tage

Den ersten Weihnachtstag verbringe ich vorwiegend auf meinem Sofa. Die Kopfschmerzen verziehen sich, der Weihnachtsbaum duftet, ich habe einen Tee/Kaffee/Teller mit Plätzchen/Teller mit Broten neben mir stehen. Die überfälligen Karten und Briefe, aus denen nun statt Weihnachts- schon Jahresend-Grüße werden müssen, bleiben liegen, aber ich möchte – heute, einmal – kein schlechtes Gewissen deswegen haben. Die Besuchsfreundin ruft mich an, während zwei Gänsebeine im Ofen fertigbrutzeln und zwei Kartöffelchen im Topf garen. Meine ganz große Schwester meldet sich am Abend und hat Zeit zum Erzählen.

Kurz vor dem nächsten Mittag kommen meine Jungs vom Papa zurück. Endlich! Wir packen gemeinsam die Weihnachtspäckchen aus, die noch unter der Blautanne Josefine stehen, und entscheiden, dass die neuen Bumerang-Flieger von der großen Schwester gleich ausprobiert werden sollen. Allerdings peitschen uns Regen und Wind heftig um die Ohren, als wir den Berg im nahegelegenen Park besteigen, so dass wir aufgeben und stattdessen zur großen Videothek fahren, um ein paar Filme auszuleihen. Nachdem ich also die Details der neuen Feuerwehr-Wache bewundert, das neue Weihnachts-Spiel ausprobiert, Brote geschmiert und meinen Söhnen froh beim Reversi-Spielen zugesehen habe (froh jedenfalls in dem einen Moment, nachdem der erste Streit geschlichtet war und bevor das Brett im Zorn so sehr angeschubst wurde, dass nicht weitergespielt werden konnte), endet auch dieser Tag auf dem Sofa.

Am Dienstag müssen wir – wie alle Leute – einkaufen. Der Elfjährige nimmt mir den Weg in die eine Richtung ab, ich gehe in die andere. Später kommt der liebste Freund vorbei und baut mit den Jungs ein einfaches Murmelbahn-Modell aus der 600-Teile-Kiste, die er den beiden zu Weihnachten geschenkt hat. Für den großen Parcours mit Motor, Aufzug und langer Abfahrt bräuchten wir mehr Zeit, das kriegen wir heute nicht mehr hin. Abends gucken die Großen noch einen ganz schön schlechten Film.

Wer einkauft, muss auch kochen – Mittwoch ist Großkampfvormittag in der Küche, ein Hühnchen steckt im Kochtopf, Gouda schmilzt im Wasserbad und der Elfjährige koordiniert die Schnippel-Arbeiten des liebsten Freundes und des Siebenjährigen für die Cremefüllung der Käsepastete. Am Mittag ist die Hühnersuppe fertig, die Pastete gerollt und der Lieblings-Kräuterquark des Siebenjährigen angerührt. Ich falle für ein Stündchen ins Bett, bevor die Patchworkmama mit ihrem Mann, meinem Patenmädchen und dem kleinen Patchworkbaby vor der Tür steht. Wir haben uns seit mindestens einem Jahr – gefühlt ist es noch viel länger – nicht gesehen; meine Freundin und ich schwatzen also fröhlich, während die Kinder irgendwo in der Wohnung Verstecken spielen oder mit ihren neuen Walkie-Talkies von Zimmer zu Zimmer „Hallo?“ „Hallo!“ rufen. Das Baby hat es meinen Söhnen angetan; der Siebenjährige, der so gerne ein kleines Geschwisterchen hätte, strahlt den Sechs-Monats-Winzling immer wieder an und schwärmt hinterher von den kleinen, weichen Händchen. Der Elfjährige legt sich neugierig zum Patchworkbaby, als es im Hochbett des Siebenjährigen das bunte Mobile an der Decke bewundert; und blättert am Abend mit mir durch sein Baby-Fotoalbum um nachzuprüfen, ob es wirklich dieses Foto gibt, auf dem er im Schlaf die Hände wie ein Dirigent vor sich ausstreckt.

Abends lange aufbleiben – den schlafenden Siebenjährigen schleppe ich kurz vor zehn vom Kuschelsofa in sein Bett – und morgens lange ausschlafen. Filme gucken, wenn draußen eisiger Regen fällt; Freunde sehen, spielen und lesen (die Weihnachtsbücher des Elfjährigen haben nicht lange vorgehalten), nicht viel müssen und wenig wollen. Ich mag die stillen Tage zwischen den Jahren.

Vermischte Weihnachten

Wechselmodellweihnachten sind ja immer ein bisschen unterschiedlich. Dieses Jahr so:

Den Heiligmorgen verbringe ich mit dem liebsten Freund, der mir am Vorabend schon den Großeinkauf nach Hause und die Blautanne zum Weihnachtstisch getragen hat. Die Pflichten sind also alle schon erledigt, wir beginnen wir den Tag mit Kaffeetassen und Müslischalen im Bett.

Als der liebste Freund sich gerade auf den Weg machen will, kommt der Elfjährige, denn beim Vater meiner Kinder wurde entschieden, dass er den Weihnachtsbaum bei mir und der Siebenjährige den beim Papa schmückt. Ein gemütliches Stündchen verbringe ich also mit meinem großen Sohn unter lebhaften Diskussionen: Auf welchen Zweigen sind die neun Kerzen sicher? Wo müssen die drei verbliebenen roten Kugeln (von den silbernen ist noch keine kaputtgegangen, immer nur von den roten) hängen, damit das Gesamtbild harmonisch ist? Wo kommen die Lieblingsstücke hin, die erzgebirgischen Tannenbäumchen aus Holz, der kleine gläserne Fußball, die Glocke aus meiner Kindheit? – Anschließend isst mein Sohn mir die Hälfte der aufgebratenen Nudeln vom Vortag weg und packt die Krippe aus. Hinter Maria und Josef stellt er eins der Elektroteelichter, die man den Kindern aus unerfindlichen Gründen dann und wann in die Adventskalender packt, und plötzlich hat das Ding einen wunderbaren Zweck.

Kaum ist der Elfjährige wieder gegangen, klingelt die Mitmutter mit ihrem Töchterchen und wir trinken gemeinsam Kaffee, machen die Kerzen am Baum schon mal an, bescheren ein bisschen – die Mitmutter ist eine großartige Schenkerin und überrascht mich mit einem Magnet-Kristall, den man in Ohr oder Nase tragen kann und der mich sehr begeistert. Dann gehen Mitmutter und Töchterchen zur Kirche, ich bleibe aber noch da, weil der Vater meiner Kinder entschieden hat, dass wir nicht die frühe Kinderkrippenspielvesper besuchen, sondern die zweite, bei der es laut Gemeindebrief Ortspfarrer, Besinnung und Krippenspiel gibt. Mir fällt ein, dass ich ja eigentlich krank bin – bis zum Aufbruch lege ich mich also mit meinen Kopfschmerzen aufs Sofa.

Dann geht es mit einer großen Tasche voller Geschenke in der Hand, einer Dose Plätzchen unter dem Arm und dem neuen Funkelding in der Nase nach nebenan, wo ich das Gepäck abstelle und meine Kinder und ihren Vater abhole. In der Kirche ist die Heizung kaputt, es ist also kalt, aber der Siebenjährige möchte gern auf meinem Schoß kuscheln und wärmt wie ein kleines Öfchen. Gespannt blicken wir nach vorne, wo das Podest fürs Krippenspiel aufgebaut ist, der Baum leuchtet und Musikerinnen mit Flöten Platz nehmen. Aber nicht der Ortspfarrer tritt vor die Gemeinde, sondern ein knorriger weißhaariger Pfarrer i.R., der mit strenger Miene in die Gemeinde blickt, ohne großen Willkommensgruß den Gottesdienst eröffnet und dann hingebungsvoll über die ababcab-Melodie und den ababcdc-Reim im Lied „Es ist ein Ros entsprungen“ predigt. Vom Wohlgeruch der Rose in der dritten Strophe versucht er zum Gänsebratenduft überzuleiten und so einen klitzekleinen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Zuhörer zu bekommen, besonders gut klappt das aber nicht. Krippenspiel gibts auch nicht. Ein paar Familien verlassen zwischendurch leise die Kirche, als ihnen das klar wird. Der Siebenjährige ist auf meinem Schoß längst eingeschlafen.
Auch als wir hinterher im Vergleich von Schaukasten und Gemeindebrief feststellen, dass im Gemeindebrief zwei Vespern vertauscht angekündigt worden sind, bleibe ich fassungslos, wie schon manchmal an Weihnachten: da kommen Massen von Menschen in die Kirche, die die Kirche sonst nicht so gut erreicht (wir zum Beispiel). Müsste man die nicht ansprechen, begeistern, ihnen etwas mitgeben, was sie vielleicht wiederkommen lässt?

Hinterher kocht der Vater meiner Kinder Kartoffeln, Sauerkraut und Sojawürstchen, dann werden (endlich, endlich! Der Siebenjährige hält es kaum noch aus – ) Geschenke ausgepackt, und zwar so: Es wird reihum gewürfelt (1 und 6 = Geschenk auspacken, 2 = Naschen, 3 = Singen, 4 = Auspacken verschenken, 5 = Naschen verschenken) – und wer mit einer Eins oder Sechs oder der Vier eines anderen Glück hat, muss immer sein jeweils kleinstes ungeöffnetes Geschenk auspacken. Das klingt furchtbar zwanghaft, funktioniert aber gut: alle Geschenke werden gewürdigt, der Siebenjährige kommt dazu, sein mit viel Mühe eingeübtes „Jingle Bells“ am Keyboard vorzuspielen, der Vater meiner Kinder singt mit uns sein Lieblingsweihnachtslied, ich lese das Maria-Gedicht vor, dass ich auf dem Blog von Kat und Susan entdeckt habe, alle verdrehen die Augen, wenn „Nachen“ gewürfelt wird, weil alle schon satt sind, und als die dicken Pakete mit Spielzeug zum ganz-lange-Aufbauen dran sind, dürfen die Jungs das machen und die Erwachsenen setzen sich mit einem Tee in die Küche.

Vielleicht feiern wir nächstes Jahr mal nicht mehr in dieser Konstellation, sagt der Vater meiner Kinder müde, und ich nicke, weil ich weiß, dass seine Freundin schon dieses Jahr gerne mit ihm gefeiert hätte und jetzt mit ihrem Sohn alleine gegenüber in ihrer Wohnung sitzt. Ich bin dem Vater meiner Kinder dankbar dafür, dass wir in diesem Jahr noch einmal unsere gemeinsame Tradition fortgesetzt haben. Weil unsere Söhne es sich so wünschen. Und weil ich dadurch mit meinen Kindern Heiligabend feiern konnte, auch wenn in diesem Jahr Papaweihnachten sind. – Aber nein, korrigiert mich der Vater meiner Kinder, nicht mit seiner Freundin wolle er feiern nächstes Jahr, sondern garnicht, Weihnachten bereite ihm als Fest einfach keine Freude mehr.
Vielleicht, sage ich, lade ich dich ja trotzdem nächstes Jahr ein. Und die Mitmutter. Und noch mehr Freunde, wenn es welche gibt, die auch alleine sind. (Und wenn ich ganz besonders kühn bin, sogar deine Freundin und ihren Sohn, aber das denke ich lieber nur und sage es nicht, weil ich nicht weiß, wie kühn ich in einem Jahr wirklich sein werde). Dann essen wir zusammen und singen und spielen vielleicht und jeder bekommt nur ein Geschenk – und beschert wird erst am nächsten Tag. So stelle ich mir den Heiligabend schon lange vor.

Dann sage ich meinen Söhnen gute Nacht und gehe nach Hause, mit meinem Husten und meinen Kopfschmerzen und den Geschenken, die ich bekommen habe. Falle ins Bett und denke: Morgen bin ich alleine, das ist auch gut. Morgen bin ich krank und mache garnichts.

Waldhäuschennotizen (3)

Die Abende sind hier lang, die Besuchsfreundin und ich kommen ins Reden, wenn die Jungs – eigentlich viel zu spät – schlafen gegangen sind. Morgens sind der Siebenjährige und der Elfjährige trotzdem vor sieben wach. Am Tag leiden also alle unter der typischen Urlaubsmüdigkeit, Abends ist sie dann plötzlich weg. Und von vorn.
Am Dienstagmorgen geht es dem Siebenjährigen schlecht, er kann nicht mit zum Frühstück und übergibt sich. Die Besuchsfreundin und ich bleiben abwechselnd bei ihm. Mittags geht es dann besser, zum Glück. 

Der Elfjährige ist zappelig, müde und widerborstig. Jede Bitte an ihn muss erst im Streit durchgesetzt werden, das ist schade. Am Abend gehe ich mit ihm allein ein paar Runden Tischtennis spielen. Hinterher ist es besser – und als der Siebenjährige im Bett ist, ist der Große wie ausgewechselt; ich lasse ihn gerne noch beim Marmeladekochen die Nase über den Topf halten und später den Löffel abschlecken.

Man stellt sich das immer so harmonisch vor, mit Kindern an einem Ort zu sein, den wir alle lieben. Im Rückblick wird es das wohl auch gewesen sein. Aber während wir da sind, müssen Gummistiefel ordentlich weggestellt, Pflichten – ganz wenige, aber: Pflichten – verteilt, einander widersprechende Wünsche verhandelt werden. 

Tagesnotizen: 14.10.16

Letzter Arbeitstag vor dem Urlaub. Die Besuchsfreundin kauft unterdessen ein, hängt Wäsche auf, bügelt, ölt die quietschende Schlafzimmertür. Ich fühle mich wie bei den Heinzelmännchen.

Am Abend kommen die Kinder von ihrem Vater zurück, das macht weniger froh: Den am Montag schon hustenden Siebenjährigen hat kein Arzt abgehört, Hustensaft hat er erst seit heute mirgen bekommen. Dass der Elfjährige sein Englischbuch aus der Schule mitbringen sollte, hatte ich auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, der Vater hat es dem Elfjährigen nicht ausgerichtet. 

Aber im Waldhäuschen ist kein Arzt erreichbar, wäre endlich Zeit, dem Elfjährigen beim Nachholen von Vokabeln zu helfen…  Hilflosigkeit und Zorn.

Gepackte Koffer, die Zugverbindung liegt bereit, der Wecker ist gestellt. 

Nach dem ersten Urlaub im Waldhäuschen – vier Jahre ist das her – habe ich zu bloggen angefangen. Ach ja, damals! Wir reisen inzwischen mit vielen Erinnerungen und erzählen uns Geschichten von dem, was wir dort in den letzten vier Jahren erlebt haben.

Vielleicht wird es ja noch einmal so zauberschön…

Tagesnotizen: 13.10.16

Morgenkaffee mit dem liebsten Freund nach langer Zeit. Das ist schön. 

Nachmittags gehen der Elfjährige und ich weiterführende Schule gucken, unsere gefühlte Hauptbeschäftigung grade. Im Mathe-Knobel-Wettbewerb gewinnt der Elfjährige einen der beiden ersten Preise, und ich bin – wir befinden uns in einer Super-Duper-Mathe-Spezial-Leistungsschule im schicken urbanen Kiez, in dem ich mir wahrscheinlich noch nicht mal eine Abstellkammer mieten könnte – unglaublich stolz auf meinen Sohn.

Später reist die Besuchsfreundin an, hilft, den großen Abwasch zu machen, den der Kochhaus-Abend mit dem liebsten Freund hinterlassen hat, und die große Einkaufsliste für acht öffitransportable Waldhäuschen-Mittagessen à 4 Personen zu schreiben.

Ein guter Tag. 

Sonntag, 5. Juni

Was machst du eigentlich den ganzen Tag? – Das fragt Frau Brüllen heute wieder und sammelt sehr viele sehr schöne Beiträge auf ihrer Seite. Schon wieder der 5. also! Der letzte Monat ging schnell um, kein Wunder bei all den Feiertagen.
Und so ein Tag war heute:

Obwohl es gestern später geworden ist, ist der Elfjährige um halb sechs wach. Aber leise. Halb sieben kommt der Siebenjährige dazu, von da an höre ich die beiden im Zimmer des Elfjährigen schwatzen. Ich kann mich nochmal umdrehen und weiterdösen. Von Hof ist die Amsel zu hören und ein Schwarm lärmender Spatzen.

Halb acht stehe ich auf und sage der Frühschichtbiene auf dem Balkon guten Morgen. Dann Sonntagsfrühstück vorbereiten, mit einem gekochten Ei für jeden, wir machen das noch immer so, wie früher. Aus irgendeinem Grund fangen wir am Frühstückstisch an, Wörter auf -eis zu reimen, davon gibt es erstaunlich viele und es wird eine richtige kleine Reisegeschichte (leider natürlich nur im Kreis…) daraus.
Meine Söhne haben feierlich versprochen, am Sonntagmorgen ihre Schulranzen durchzusehen und müssen das jetzt einlösen. Ich nehme mir derweil den Topf vor, in dem wir am Freitagabend nochmal Holunderblüten in Wasser versenkt haben. Es duftet herrlich. Ich setze die zwei Tüten Gelierzucker entsprechende Menge Saft auf den Herd und koche Gelee. Das restliche Holunderwasser wird nochmal zu Sirup verarbeitet. Weil vor drei Tagen der Elfjährige den Sirup kochen und abfüllen durfte, ist heute der Siebenjährige dran, dem allerdings nach dem Einrühren des Zuckers der Arm sooo wehtut, dass er bis zum Abfüllen Pause machen muss.

Ein garstiger Abwasch hat sich während all dem angesammelt und muss schnell erledigt werden. Hinterher ist der Tag schon halb um, deshalb bleibe ich gleich in der Küche und mache Quicheteig. Der kommt in den Kühlschrank, dann habe ich Zeit, um mit dem Siebenjährigen Keyboard und Lesen zu üben.
Danach hilft der Elfjährige mir, den Quicheteig mit Birnen und Gorgonzola zu belegen. Eierschmand drüber – und ab in den Ofen.

Und dann… gehe ich endlich ins Bad.

Um Viertel nach Zwölf sind wir alle angezogen und essen, und dann ist es auch schon Zeit, aufzubrechen, denn wir haben noch Sonntagspläne. Wir verlassen das Haus bei strahlendem Sonnenschein; aber als ich an der ersten Ecke meine Sonnenbrille aufgesetzt habe, ist der Himmel plötzlich voller grauer Wolken und es tröpfelt, der Regen beginnt zu strömen, Donner rollt. Statt zum Eisessen ins Café kommt die befreundete Mitmutter mit ihrem Töchterchen gleich an die S-Bahn; der Elfjährige flitzt nochmal nach Hause und holt Regenschirme. Mit drei total überdrehten Kindern und vier Regenschirmen fahren wir nach Kreuzberg zum Colulmbia-Theater, wo ein Liedermacherkonzert für Kinder stattfindet. Das Columbia-Theater kennen weder die Mitmutter noch ich, aber es ist leicht zu finden und wir sind begeistert von dem kleinen Garten, in dem die Kinder noch eine halbe Stunde abwechselnd Fange spielen und um Mini-Muffins und kalte Getränke von der Bar betteln können. Die Luft im Saal ist stickig, die Stimmung angespannt. Es gibt Gedrängel um die Sitzplätze auf den Stufen; der Siebenjährige ist schon völlig fertig, ehe der erste Ton von der Bühne gekommen ist. Aber dann geht es endlich los. Nachdem alle, die die Hitze nicht aushalten, den Saal verlassen haben und alle Türen weit geöffnet worden sind, wird es ein richtig gutes Konzert mit sieben verschiedenen Liedermachern, die Lieder für Kinder und Erwachsene singen. Den Elfjährigen bekomme ich kaum zu Gesicht, er steht weit vorne und rockt und passt ein bisschen auf die Schulkameradin des Siebenjährigen auf, während der manchmal vorne mittanzt und manchmal (ich verspreche meinem Beckenboden alles, was er hören will, sieben Stunden Training täglich, gleich ab morgen, ganz bestimmt – ) von meiner Schulter aus über die Köpfe der Erwachsenen vor uns zur Bühne guckt und begeistert seinen Kuschelhasen in die Luft wirft.

Irgendwann gehe ich mit den Kleinen raus, während der Elfjährige und die Mitmutter noch die schönen Abschlusslieder mitbekommen. Irgendwann ist das Konzert zu Ende und wir gehen nach Hause, und irgendwann kurz vor der U-Bahn fällt es uns ein, dass unsere Schirme noch in der Garderobe neben dem Konzertsaal liegen. Die Mitmutter läuft zurück, ich lenke unterdessen die drei Kinder, die sehr laut und sehr textsicher die im Konzert aufgeschnappte Zeile – „Immer! muss ich! alles! sollen!“ – singen, vom sehr lauten Singen ab, in dem ich eine Suche nach Glücksklee in der Rabatte anrege. Dann fahren wir wirklich nach Hause.

Der Siebenjährige und der Elfjährige sind so verschwitzt, dass sie sich ohne Murren in die Badewanne begeben; ich stelle den Rest von der Quiche und ein paar Streichkäsebrote auf den Tisch; dann bringe ich den Siebenjährigen ins Bett. Schon wieder hat sich ein unerfreulicher Abwasch angesammelt. Ich spüle, nehme Wäsche ab, habe noch ein Weilchen Zeit für den Elfjährigen. Als der Große auch schläft, gieße ich die Kästen und Kisten und Töpfe auf dem Balkon und setze mich mit dem Laptop auf die Bank zwischen den Blumen.

Abendstille.

 

Eine Woche, ein Wochenende, ein Abend

Obwohl nach Stockholm nur noch eine halbe Alltagswoche kommt, ist die ganz voll. Irgendwas ist ja immer. Ich verarzte (nach dem vereiterten Daumennagelbett zwei Wochen vorher) ein vereitertes Zehennagelbett, gehe mit dem Elfjährigen deswegen zum Arzt und hole bei der Gelegenheit gleich eine Zweitmeinung zu chirurgisch behandlungsbedürftigen Jungsproblemen ein, OP steht ins Haus. Ich gehe mit dem Siebenjährigen schwimmen, bringe den Elfjährigen dazu, die Eigenschaften von gefühlten sieben Dutzend Metallen für ein beim Papa nur schlampig vorbereitetes „Portfolio“ für das Fach Naturwissenschaften zu googeln (und helfe ein bisschen mit, aus purer Empörung darüber, dass die Lehrerin den gewünschten Umfang des Projektes total im Unklaren gelassen hat; „weiterführende Recherche“ nennt sich das in der Aufgabenstellung, na prima. Wieso kann sie nicht einfach eine Klassenarbeit schreiben lassen?). Ich arbeite zweieinhalb Tage, habe diverse „Calls“, mache pünktlich Feierabend, um mit dem Siebenjährigen ins Einkaufszentrum zu fahren und eine Sommerjacke und Socken und eine Badehose und Sandalen zu kaufen, und Zumba-geeignete Turnschuhe für mich. Außerdem ist Pädagogensprechtag, wir gehen also um 18 Uhr nochmal in die Schule, um mit der Klassenlehrerin des Elfjährigen zu reden; der Siebenjährige sitzt unterdessen friedlich im Schulflur, bestochen mit zwei Päckchen Fußballkarten und einer kleinen Schachtel Smarties, die bei den Recherchen für das „Portfolio“ des Elfjährigen wegen der aufgedruckten Zutatenliste gekauft werden mussten.

Dann ist Wochenende. Zu Hause habe ich seit längerem auf Notfallmodus geschaltet, das bedeutet, dass es nichts macht, wenn alles unordentlich und schmutzig ist, und dass ich mir jeden Tag nur eine oder zwei wichtige Sachen vornehme. Für das Wochenende heißt das: Großeinkauf. Zwei Maschinen Wäsche waschen und die alte Wäsche weglegen. Einmal richtiges Essen kochen. Die Kinder räumen unter viel Gemecker ihre Zimmer auf, fegen in Küche, Bad und Flur; der Siebenjährige muss zweimal Keyboard üben und zweimal zehn Minuten laut vorlesen, der Elfjährige muss alle losen Blätter in seinem Ranzen einheften und zweimal Übungen für seinen Rücken machen. Nach dem Samstagmittagessen falle ich ins Bett und wache erst nach anderthalb Stunden wieder auf. Das tut gut. Abends gehen die Jungs zu ihrem Papa, denn die Patentante des Elfjährigen hat mich zu einem Konzert eingeladen, eigentlich anlässlich meines letzten Geburtstages, es wird also Zeit. Am Sonntagmorgen wache ich mit dicken Halsschmerzen auf, aber wir sind mit der Mitmutter aus der Klasse des Siebenjährigen, mit der ich mich so gern richtig anfreunden möchte, zum Schwimmen verabredet. (Jemanden finden, der mit dem, was man zu geben hat, etwas anfangen kann. Das wurde eigentlich über die Liebe gesagt, aber auf Freundschaft trifft es doch auch zu: Eine andere alleinerziehende Mutter, die wie ich am Wochenende gerne mal etwas gemeinsam unternehmen mag, mit noch einem Erwachsenen dabei; Eisessen, Spielplatz, Schwimmbad – das tut mir sooo gut. Und sympatisch war sie mir schon zu Kita Zeiten.) Also schlucke ich eine Schmerztablette und bleibe im Schwimmbad am Beckenrand, laufe neben dem Elfjährigen her, der acht Bahnen fürs Bronzeabzeichen übt, und neben dem Siebenjährigen, der nur noch einen Schwimmärmel braucht und tapfer Bögen um die vielen bunten Berliner Multikulti-Spaßbade-Kinder im Nichtschwimmerbecken schwimmt. Wir teilen mitgebrachtes schwedisches Knäckebrot und Erdbeeren aus dem Erdbeerhäuschen und Pizza und Pommes aus dem Schwimmbadrestaurant. Ins heiße Solebecken gehe ich am Ende dann doch mit, wir sitzen auf den Sprudelliegen zwischen der Frau im Burkini und dem stiernackigen Sumo-Ringer, dem der Siebenjährige aus Versehen seinen Ball an den Bauch wirft und den er mit seinem zahnlückigen Charme zum Lächeln – und freundlichen Zurückwerfen – bringt.
Der Siebenjährige geht zum ersten Mal mit dem Elfjährigen in die Jungsumkleide, die beiden kriegen das prima hin, ich bin sehr gerührt: so groß sind meine Kinder jetzt schon.
Als wir uns nach dem Baden im Vorraum der Schwimmhalle wiedertreffen – da, wo das geniale Unterwasser-Guckfenster in die Sprunggrube des großen Schwimmbeckens ist – freut sich das Töchterchen der Mitmutter riesig, weil da tatsächlich Meerjungfrauen schwimmen; Meerjungfrauen, deren wedelnde Fischschwänze wir von unterhalb wunderbar sehen können.

Irgendwann abends sind die Kinder satt, die letzten Pflichten erledigt, die Badesachen ausgewaschen und aufgehängt, die welken Pflanzen auf dem Balkon gegossen; ist die Sendung mit der Maus geguckt, das Geschirr gespült, das Wissen über Ägypten für den Geschichtstest abgefragt, das Gutenachtlied gesungen. Mein Hals tut schon länger wieder weh, ich möchte jetzt am liebsten vor einem Krimi einschlafen. Aber da steht noch das Tablett, auf das ich alle Papiere gestapelt habe, die sich in den letzten Wochen angesammelt haben. Irgendwo da drin stecken Sachen, die dringend sind. Ich mache Überweisungen; ich räume den Stadtplan von Stockholm beiseite. War das wirklich erst vor einer Woche? Die nächsten Wochenend-Projekte – vieleviele Reisen und Ausflüge in diesem Jahr – plane ich heute nicht mehr. Es geht einfach nicht. Es geht immer nur ein bisschen, gerade. Viel weniger, als ich müsste und möchte. Und in Summe trotzdem gut. Und wichtig und richtig und schön.