27. Dezember. Draußen an der Straße liegt der erste Weihnachtsbaum, als ich am Vormittag auf dem Weg zum Bäcker bin. Ein Brot – hoffentlich haben die Freunde richtig verstanden, dass sie zum Abendessen eingeladen sind. Es ist noch viel leckeres von Weihnachten übrig, was hinterher noch da ist, packe ich meinen Kindern ein und bringe es bei ihrem Vater vorbei. Im kleinen Schlafzimmer steht schon mein gepackter Koffer, und ich freue mich auf Abstand, Weite, einen glücklichen Zwischenraum zwischen den Jahren. 2019 war doch für alle ein schreckliches Jahr, sagt der Sohn der anderen Mitmutter, aber ich mag dem nicht zustimmen. Sind wir denn sicher, dass 2020 besser wird? Ich jedenfalls habe – im zaghaften Sonnenlicht eines Vormittags Ende Dezember – viel Grund zu Dankbarkeit und Zufriedenheit, so abgegriffen diese Worte auch klingen.
Liegengeblieben sind in den letzten Wochen dann doch die Blogtexte, die eigentlich für diesen Dezember noch in meinem Kopf herumgespukt sind:
Der Text über unseren diesjährigen Waldhäuschenurlaub, in dem uns die Steinpilze vom Wegrand förmlich in den Korb gesprungen sind und in dem ich immer mal wieder Pilze aussortieren musste (schließlich sind wir autofrei im Funkloch, also nicht in Reichweite optimaler medizinischer Versorgung), die die ganz große Schwester freudestrahlend und etwas unbekümmert gepflückt hatte.
Der Text über meine Erfahrungen mit dem Online-Dating, das ich in diesem Herbst dann und wann – etwas halbherzig – betrieben habe und das mir ein paar Lebensgeschichten (mit viel zu vielen bösen Ex-Partnerinnen in diversen Hauptrollen), ungefragte gute Ratschläge („die Freude über einen Jobwechsel würde doch jeden finanziellen Verlust mehr als ausgleichen“), eine sowohl angebrannte als auch versalzene Karottensuppe (merke: immer vorher fragen, ob der Mann Vegetarier ist und dann unbedingt selbst ein Restaurant aussuchen, in dem das vegetarische Essen auch schmeckt), eine Stunde schrecklicher Langeweile ausgerechnet mit dem Journalisten, auf den ich doch gewisse Hoffnungen gesetzt hatte und einen skurilen Whatsapp-Austausch ohne jedes freundliche Interesse an mir eingebracht hat.
Der Text über das Zusammenleben mit Heranwachsenden – vielleicht wird der ja sogar noch geschrieben, im neuen Jahr, denn diese Herausforderung nehme ich ja mit: Wie gestalte ich das Zusammenleben mit größer werdenden Jungs, die mich vor allem als Versorgungsstation für saubere Wäsche, Unterschriften, leckeres Essen und Ins-Bett-Bringen brauchen, denen ich andererseits aber gerne und gegen die Verlockungen diverser Handy-Spiele vermitteln möchte, dass es sich lohnt, sich ein Ziel zu setzen und sich dafür auch anzustrengen, sich für das Leben zu interessieren und Menschen als Freunde zu gewinnen?
Und der Text über die Bücher, die ich in 2019 gelesen habe. Hier will ich unbedingt wenigstens meine große Herzensentdeckung erwähnen – das war Sarah Moss. „Schlaflos“ und „Gezeitenwechsel“ sind zwei Romane, die ich neben „Schlafen werden wir später“ von Szusza Bánk einordnen werde, weil es darin um das Elternsein geht – um Kinder, die sich nicht, wie in anderen Romanen, im Hintergrund irgendwie selbst erziehen oder gar schlauer sind als die Erwachsenen, sondern um Kinder, deren Bedürfnisse den Eltern emotional einiges abverlangen. Die Bücher sind ehrlich und radikal und feministisch und blitzgescheit und spannend – eine unbedingte Leseempfehlung für jeden, den es schon mal genervt hat, dass die Leute in den Büchern und Filmen nie Wäsche waschen oder saubermachen müssen. Sarah Moss‘ nichtfiktionales Buch über ein in Island verbrachtes Jahr steckt in meinem Koffer für die Jahreswechselreise. Die Seiten rascheln schon vor lauter Vorfreude.
Euch und Ihnen allen, die hier vorbeischauen, wünsche ich einen ruhigen Jahresausklang und ein gutes neues Jahr 2020. Uns allen wünsche ich für dieses neue Jahr die Kraft, für das Gute und Richtige einzutreten, so aussichtslos das auch scheinen mag – und das Glück, liebevolle Menschen um sich zu haben.
Hoch die Gläser also – und auf bald.