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12 Jahre

Während ich langsam wieder gesund werde, kränkelt der inzwischen Zwölfjährige. Sein Vater geht mit ihm zum Arzt, und dabei wird praktisch klar, was wir bisher nur theoretisch wussten: Wegen eines kranken zwölfjährigen Kindes wird kein Elternteil mehr krank geschrieben. Noch nicht mal für die Dauer eines Arztbesuches. Das erweitert den Möglichkeitenbaum des Kind-krank-Katastrophen Familienszenarios um einen interessanten Ast.

Glücklicherweise bin ich ja zu Hause und der Zwölfjährige und ich unterstützen uns gegenseitig. Mein Sohn gibt sich richtig Mühe, nicht so oft zu fragen, ob ich vielleicht etwas spielen möchte, sondern lässt mich in Ruhe vor mich hinschniefen ruhen. Dafür gucke ich dann eine Folge „Mord mit Aussicht“ mit ihm. Dafür bietet der Zwölfjährige dann wiederum an, dass Mittagessen zu kochen, und lernt gleich mal (beim nächsten Mal muss er dann ja vielleicht ganz alleine klarkommen), Reis und Linsen zu kochen und mit Mandeln, Datteln, Zwiebeln, Knofi, Salz und Essig zu einem leckeren Einkaufen-ging-nicht-wegen-krank-Essen anzubraten.

Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Meine Beine sind völlig in Ordnung, die Krankschreibung braucht das Kind, um länger als drei Tage der Schule fernbleiben zu dürfen und wir haben noch nicht alles erlebt, was ich mir heute Nachmittag vorgestellt und aufgeschrieben habe. Bloß das mit dem Urlaub der Kinderärztin bei gleichzeitiger Abwesenheit der Vertretung häuft sich.

Und sowas wollte ich ja schon lange mal bauen:

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11 Antworten und 11 Fragen (auch)

Die Oecherin hat mich in ihrem Beitrag zum Liebster-Award eingeladen, die 11 Fragen zu beantworten, die sie „weiterreicht“. Darüber freue ich mich und antworte gerne… und habe mich beim Antworten gerne sehr nachdenklich machen lassen. Denn ihre Fragen waren diese:

1. Wie hältst du die Balance zwischen unerfreulichen Weltnachrichten und deinem persönlichen Glück?

Leider habe ich keinen Beruf, mit dem ich dazu beitragen würde, dass diese Welt ein besserer Ort wird. Manchmal beneide ich Menschen, die aus ihrer Arbeit ein Stück „Ich-tu-was-für-die-Welt-Sinn“ ziehen können, das ihnen hilft, diese Balance zu halten. Denn am besten ist die herzustellen, indem man etwas tut. Glaube ich. Ich versuche, hier und da zu helfen, indem ich ein bisschen Geld spende. Abgesehen davon lassen sich viele Geschehnisse in der Welt für mich oft nur aushalten, indem ich sie verdränge oder mich einfach nicht darüber informiere. Was ich aber sehr wichtig finde, ist Dankbarkeit. Ich habe es sehr, sehr gut angetroffen, hier und jetzt zu leben; das möchte ich nicht für selbstverständlich halten.

2. Welches Musikstück gehört ganz sicher in deinen Lebenssoundtrack und warum?

Uiii, ganz schwierig! So ein Lebenssoundtrack ist doch das reinste Mixtape… Ich wähle mal Hindi Zahras „Beautiful Tango“ aus, als Musik für die ersten Jahre nach meiner Trennung vom Vater meiner Kinder, in denen ich sehr viel getanzt und mich sehr, sehr lebendig gefühlt habe.

3. Gibt es ein Wort aus der Bibel, das dir was bedeutet? Welches?

Als Pfarrerstochter war ich mal ziemlich bibelfest. Schon lange stehe zu ich meinem „Herkunftsglauben“ in zweifelnder Distanz, das hat wohl mit der ungeklärten Frage nach dem vielen Leid zu tun… Trotzdem mag ich meinen Taufspruch immernoch gerne: „Fürchte dich nicht! – Ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“

4. Fühlst du dich so, wie du vor 10 Jahren vermutet hättest, dass sich Leute in deinem jetzigen Alter fühlen?

Wenn meine Schwestern – die sind acht und zehn Jahre älter als ich – vor zehn Jahren von ihrem Leben erzählt haben, kam es mir so vor, als ob sie sich ungefähr wie ich fühlen – nur ein bisschen erwachsener, ernsthafte und reifer, weil sie das einfach schon immer waren. Ihre Geschichten von beginnender Altersweitsichtigkeit und Reha-Sport habe ich lustig gefunden – und so gehört, als ob das Dinge wären, die mich nie im Leben betreffen könnten. Jetzt schiele ich über meine Brille und beklage die allgemeine Zunahme des Zu-Klein-Gedruckten… und fühle mich oft sehr müde – aber immer noch nicht so reif und vernünftig wie meine Schwestern. Das hätte ich nicht erwartet.

5. Was macht dich im Alltag glücklich?

Wenn meine Kinder unbeschwert lachen. Ausschlafen. Kleine Zeichen der Verbundenheit von lieben Menschen. Zu wissen, dass es in absehbarer Zeit einen Tag gibt, an dem ich ganz alleine bin und garnichts muss. In der S-Bahn ein gutes Buch zu lesen. Wenn irgendwer auf der Straße freundlich lächelt.

6. Welche berühmte Frau aus der Geschichte hättest du gern einmal getroffen?

Ganz schwierig! Ich würde gerne mal mit Rebecca Solnit, Merryl Streep und Scarlett Thomas an einem Tisch sitzen. Aber… die sind ja noch nicht Geschichte. Ich lasse deshalb mal den liebsten Freund für mich antworten, der wusste das nämlich gleich: Er würde Eva gerne mal treffen und sich die Geschichte vom Apfel aus ihrer Perspektive erzählen lassen. Und Rosa Luxemburg, weil die schon damals so vieles klug durchschaut hat – zum Beispiel. dass Unterdrückung auch mit der Geschlechterfrage zusammenhängt.

7. Gibt es eine Dichterin, von der du mindestens ein Gedicht gerne magst?

Es gibt viele. Eva Strittmatter zum Beispiel. Susanne Auffahrt. Marie-Luise Kaschnitz. Eins meiner liebsten Gedichtbücher ist „Stechäpfel. Gedichte von Frauen aus drei Jahrtausenden“ – aus dem könnte ich noch viele Gedichte von vielen Autorinnen heraussuchen, die mir gefallen.

8. Wo möchtest du unbedingt nochmal hin?

Ich würde gerne mit ganz viel Zeit Richtung Santiago de Compostela pilgern – durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich. Das wäre mir wichtiger als das letzte Stück mit den vielen, vielen Jakobswegwanderern. Und wenn ich ein paar Fernreisegutscheine bekomme: Nach Kanada, hoch in den skandinavischen Norden, nach Indien vielleicht.

9. Was möchtest du gerne einmal erleben?

Dass wirksame Klimaschutzmaßnahmen beschlossen und dann auch wirklich umgesetzt werden. Dass die Politik sich am Erhalt unserer Lebensgrundlagen und am Wohlergehen der Schwächeren in der Gesellschaft orientiert und die Interessen der Wirtschaft dem klar untergeordnet werden.

10. Welche ein bis drei Blogs liest du besonders gerne?

Ich freue mich gerade besonders, dass es nach langer Pause wieder Gedichte von Penni Russon auf Eglantines Cake gibt. Die mag ich sehr. Außerdem lese ich in letzter Zeit mit großer Bewunderung und viel Vergnügen die Berichte von Fräulein Read-On. Und ich erwarte mit Spannung, was meine ganz große Patentochter auf 365diasenelotroladodelmundo als nächstes aus Uruguay schreibt. Aber in meinem Reader sind gerade  – kurznachschau – 45 Blogs… und ich lese die alle gern…

11. Hast du dir fürs neue Jahr etwas vorgenommen und, wenn ja, sprichst du drüber?

Nein. Ein vorsatzfreies Jahr.


Jetzt ist es an mir, 11 Fragen zu stellen. Ich freue mich über jede Antwort darauf! – Und natürlich soll sich niemand verpflichtet fühlen. Diejenigen, die ich besonders gerne einladen möchte, mir zu antworten, sind die Bloggerinnen von Hallo liebe Wolke, Aus dem Leben eines Taugewas, mutterseelesonnig, 2kinder/küche/bad/balkon, Leben. Läuft. und sieben-sachen. Wenn Ihr also mögt: Ich freue mich auf Eure Antworten!

  1. Was magst du am Januar?
  2. Welche (2-3) Blogs liest du gerade gerne?
  3. Hat dich in letzter Zeit ein Buch besonders beeindruckt oder begeistert? Welches?
  4. Gibt es Musik, die du gerade besonders gern hörst?
  5. Welche Art von Unterstützung hilft dir im Alltag am meisten – oder: würde dir im Alltag am meisten helfen?
  6. Was macht dich zur Zeit zornig?
  7. Wie und wo möchtest du leben, wenn du älter bist bzw. wenn deine Kinder aus dem Haus sind? Was möchtest du dann unbedingt noch tun?
  8. Wie entstehen deine Blogtexte? Hast du einen Lieblingsplatz, an dem du schreibst?
  9. Gibt es eine Frauenfigur in der Literatur, in einem Film oder in der Geschichte, die du besonders magst oder die ein Vorbild für dich ist?
  10. Wobei schöpfst du Kraft?
  11. Was müsste geschehen, damit 2017 für dich persönlich ein sehr gutes Jahr wird?

 

 

Engel

Manchmal ist eine Entscheidung so schwierig, dass sich in meinem Kopf alles verknäult. Da wird die Mutter-Kind-Kur genehmigt, anstandslos, große Freude – bloß in den Ferien dürfen wir nicht fahren, sondern erst hinterher, weil andere Mütter schneller waren als ich und schon alle, alle Kurplätze im Juli belegt haben, was ein mehrfaches Problem ist, weil ich dann in den Ferien keinen Urlaub sparen kann, weil die sechseinhalb Wochen ja trotzdem gefüllt werden müssen und die Hortverträge zu Ende Juli auslaufen und der Hort im August Urlaub macht und die Notbetreuung für die Kinder immer so schrecklich ist und der Vater der Kinder gerade wieder eine Stelle in Aussicht hat und dann keinen Urlaub bekommt, so dass die Kinder sowieso ganz viel in den Hort müssen, und außerdem bekomme ich einen neuen Chef, der vielleicht unangenehm berührt die Augenbrauen hochzieht, wenn ich im August zwei Wochen Urlaub mache und dann im September drei Wochen zur Kur gehe und außerdem verpasst der Elfjährige dann so viel Schule, wo es doch gerade um eines der entscheidenden Zeugnisse für den Übergang auf eine weiterführende Schule geht und dann kommt er wieder und alles stürzt in doppeltem Tempo auf uns ein und außerdem werden wir doch am Ende der Ferien so erholt sein wie sonst nie, weil wir ja gerade Sommerferien gehabt haben werden, müssen wir denn ausgerechnet dann zur Kur fahren?

Aber es wäre unser Lieblingskurort vom letzten Mal. Und es wäre so schön und warum sollen die Kinder nicht mal zehn Wochen Ferien haben, dann wären wir mal richtig gut erholt …

Und dann schreibt die Klassenlehrerin des Elfjährigen, die ich panisch um einen Termin gebeten habe, weil ich wissen will, ob wir in den Ferien schon die wichtigsten Themen gesagt bekommen können, die in der 6. Klasse in den Kernfächern in den ersten Wochen bearbeitet werden –

Dann schreibt sie mir einfach: „Ich freue mich für Sie und den Elfjährigen und sehe nur Positives darin“.

Und dann sieht alles plötzlich wieder einfacher aus.


 

Nachtrag: Jedenfalls bis die Dame beim Kurplätzezuordnungsservice mir erklärt, dass der Kurdurchgang, den sie mir immerhin am Vortag selber angeboten hat, erst nach Ablauf meiner Kurzusage beginnt und die Krankenkasse erst gefragt werden muss und vielleicht nein sagt und wir dann eine Alternative schon im Frühjahr finden müssen (oh nein… das passt da so schlecht… – Weitere Gedankenknoten ad libitum et cetera).

Haltung bitte!

Tanja hat eine Blogparade ausgerufen mit der Bitte, die Teilnehmenden mögen von „ihrem Wort“ für 2016 schreiben. Gerade noch rechtzeitig zum Einsendeschluss bin ich bei meinesichtderwelt auf diese Blogparade aufmerksam geworden, und da ich sowieso noch viel über meine Vorsätze für 2016 nachdenke – nun denn…

Mein Wort für 2016 ist – ein bisschen glanzlos – „Haltung“.
Darin kann ich eine Menge von dem unterbringen, was mir zurzeit wichtig ist:

Die Yoga-Asanas, die ich gelegentlich diversen Youtube-Anfänger-Videos nachturne, weil Bewegung in meinem Alltag – abgesehen von zur-Schule-flitzen und den-Aufzugknopf-an-der-S-Bahn-drücken – schon eine ganze Weile mehr als zu kurz kommt.

Meine Einstellung meinem Alltag gegenüber, den ich äußerlich so wenig verändern kann. Ich halte ja so garnix von Positiv-Denk-Sprüchen wie „Gib jedem Tag die Chance, der schönste Deines Lebens zu werden“ (was mit Erwerbsarbeit eher nur so mittelgut vereinbar ist, wenn man schon mal herausragend schönen Urlaub hatte – und was sowieso extrem anstrengend klingt, weil man ja, wenn man es wirklich mal schafft und einen supertollen Tag hinkriegt, dann am nächsten Tag schon wieder überbieten muss). Aber hey: für irgendwas sollte jeder Tag sich einen Punkt verdienen, selbst wenn er randvoll mit Dingen steckt, die nicht so viel Vergnügen machen… und das hat auch was mit meiner Haltung zu tun.

Die Aufmerksamkeit, mit der ich mir selbst zu begegnen versuche. Wieso fühle ich mich nach der blöden Bemerkung, die jemand gemacht hat, eigentlich so miserabel? Habe ich da gerade „ja“ gesagt, obwohl „nein“ auch keine schlechte Idee gewesen wäre? Warum ist das so verflixt schwer, Unangenehmes anzusprechen? Warum neige ich dazu, mich schmollend zurückzuziehen und zu denken, dass ich immer alles selbst schaffen muss – statt um Hilfe zu bitten?

Auch die Art, wie ich mit meinen Kindern umgehe, gehört dazu. Jesper Juul nennt es „die Qualität des Prozesses“ und hat mich mit dem, was er damit meint, schon lange überzeugt: dass ich als Elternteil wesentlich dafür verantwortlich bin, wie die „Grundstimmung“ in unserer Familie ist. Eigentlich geht es auch dabei erstmal darum, gut auf mich selbst zu achten und „Stop“ zu sagen, bevor mir die Kräfte ausgehen (das klingt so selbstverständlich, wie es da steht und ist sooo schwer) – damit ich gegenüber dem bockenden Siebenjährigen konsequent bleiben, ihn aber aus seiner Wut liebevoll wieder zurückholen kann, statt mitzuschreien; damit ich dem so leicht zu entmutigenden Elfjährigen nicht noch meine schlechte Laune aufbürde, damit ich ein Ohr für seine Sorgen habe, statt ihn zum Zuhörer für meine zu machen.

Und zu „Haltung“ gehört, über den Rand meines kleinen Tellerchens hinauszuschauen. Mein Wunsch, mich zu engagieren… selbst wenn das im Moment nur ein Wunsch ist.
Das Gute („eine andere Welt…“) für möglich zu halten. Und: dem Gefühl von Sinnlosigkeit, das sich so gern hinterrücks anschleicht, einen ordentlichen Kampf zu liefern.

Also: Haltung bitte!

Ein Stöckchen!

Ich habe schon manchmal halb misstrauisch und halb neidisch das Blogstöckchentreiben auf den Blogs beobachtet. Jetzt hat Tikerscherk mir doch tatsächlich eins zugeworfen. Danke!

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Die Aufgabe: Sieben Sachen über mich zu erzählen oder zu verraten – und dann die das Stöckchen an sieben liebe BloggerInnen weiterzureichen.

Also gut:

1. Essen und Trinken. Was soll ich denn da nur schreiben, frage ich die Besuchsfreundin, bei der ich zu Besuch bin, als ich die Nachricht vom Blogstöckchen lese, und sie sagt: Dass du gerne Kinderschokolade isst und kalten Kaffee trinkst! Auch wenn ich mich nicht ausschließlich von diesen beiden Dingen ernähre: Recht hat sie. Zu Hause irgendwo noch einen Schluck alten, kalten Kaffee herumstehen zu haben, den ich mal eben austrinken kann, wenn ich heimkomme, finde ich richtig gut. Und wenn meine Söhne Kinderschokolade geschenkt kriegen, ist als erstes eine Natualiensteuer an Mama fällig.

2. Zufälle. Wenn mir die Schokolade ausgeht, fange ich zu grübeln an. Da gerät man unversehens in die Lebensmitte, und immernoch kommt einem – mir – das eigene Leben weder groß vorherbestimmt noch besonders folgerichtig vor. Viele wichtige Dinge haben sich zufällig ergeben: Der Studiengang, von dem ich beim Buchladenjobben hörte und wegen dem ich mein kurioses Magisterstudium (Linguisitik/BWL/Indogermanische Sprachen) von einem Tag auf den anderen aufgegeben habe. Dass die fitteste und netteste Professorin in ebendiesem neuen Studiengang die mit den Zahlenfächern war, woraus sich mein Hardcore-Excel-Broterwerb dann beiläufig ergab. Dass mir eines Tages nach dem Abschluss einer Weiterbildung die Abenteuerlust in den endlich wieder zur freien Verfügung stehenden Kopf gestiegen ist – ohne die ich einen der wichtigsten Menschen nie getroffen hätte.

3. Ordnung. Wahrscheinlich bin ich nicht besonders zwanghaft. Jedenfalls solange nicht, bis hilfsbereite Gäste in meiner Küche hantieren und ich hinterher irgendwas am falschen Ort finde  oder gar lange suchen muss. Wenn das passiert, wird mir klar, dass andere Menschen – Menschen, die ich doch gut zu kennen glaubte! – mir vollkommen unverständliche logische Systeme im Kopf haben: Gläser und Becher gleicher Größe in ein Fach, statt Glas und Keramik zu trennen, nanu? Plastikdosen zu den Tellern??? Und den absolut unentbehrlichen Witscher (auch „Teigschaber“ genannt) zu den Gemüsemessern, wo gibts denn sowas! Aber genau bei diesen Messern müsste doch die Stricknadel sein, mit der ich Kuchen beim Backen ansteche, um zu prüfen, ob sie schon gut sind – wo in aller Welt verflixtnochmal ist meine Stricknadel hingekommen?

4. Dinge. Noch eine Idee meiner Besuchsfreundin: Schreib, dass Du in geflicken Stiefeln herumläufst! Mache ich, stimmt. Ich hänge an Dingen, die ich schon lange besitze, und viele liebe ich gerade wegen ihrer Gebrauchsspuren. Die Beine meines Küchentischs hat vor vielen Jahren die Leipziger WG-Katze zerkratzt. In dem Topf da, dem der Henkel fehlt, hat meine Mutter schon gekocht. Und die angesengten Topflappen da sind aus ihrem alten Bademantel genäht. Ich mag es, von den Geschichten umgeben zu sein, die mir lange vertraute Dinge erzählen. Und gerade Schuhe erleben so viel mit, dass ich es absolut herzzerreißend finde, wenn sie so kaputt sind, dass ich sie wegwerfen muss.

5. Wünsche. Als meine ganz große und um mich und mein Liebesleben besorgte Schwester mich vor etlichen Jahren mal bei Parship zwangsangemeldet hat, habe ich beim Ausfüllen des Profils die Frage nach meinen Wünschen so beantwortet: „Doppelt so viel leben und häufiger ausschlafen“. Das komische Partnerbörsenprofil habe ich am nächsten Tag nach einem erschrockenen Blick in mein Mailpostfach ganz schnell wieder gelöscht. Die Frage nach meinen Wünschen würde ich heute aber noch genauso beantworten. Immer möchte ich mehr, als in 24 Stunden zu schaffen ist. Die nötige Überstunde machen, den Kindern noch das zweite Kapitel vorlesen, endlich Flamenco tanzen lernen, einen Schreibworkshop besuchen, den Dreck da hinter dem Sofa wegmachen, das Buch auslesen und stundenlang mit Freunden telefonieren. Und so weiter. Und heute endlich mal zeitig genug ins Bett gehen, unbedingt!

6. Tages- und Nachtzeiten. Dummerweise bin ich abends aber munter – dann, wenn ich schlafen könnte. Mein schlimmstes Tagestief habe ich, wenn die Kinder ins Bett müssen, die sind nie so müde, wie ich mich gerade dann fühle. Dafür werde ich morgens unausstehlich, wenn ich nicht losspringen und irgendwas tun kann. Menschen, die mit mir verreisen und früh gern in aller Ruhe in die Gänge kommen, schicken mich am liebsten Brötchenholen (zu diesem ganz besonderen Bäcker am anderen Ende der Stadt…), damit sie noch ein paar Minuten ohne meine Ungeduld herumtrödeln können.

7. Furcht. Manchmal verwechsele ich Wörter. Viel zu oft, finde ich, und vor allem, wenn ich mit meinen Kindern rede. Becher statt Tasse. Rucksack statt Rollkoffer. Ach Mama, sagt der Neunjährige, da weiß ich doch garnicht, was du meinst! Irgendwann im Alter nicht mehr klar im Kopf zu sein, mich ausdrücken zu wollen und auf dem Weg vom Gedanken zum Satz immer den falschen Begriff zu erwischen… diese Vorstellung gehört zu meinen wirklich großen Ängsten.

Sooo… Jetzt Ihr! Ich gebe – ohne (sorry!) ganz wirklich gründlich geschaut zu haben, ob Ihr das Stöckchen schon hattet oder vielleicht irgendwo auf Eurem Blog stehen habt, dass Ihr Stöckchen unter gar keinen Umständen haben wollt – weiter an einige Blogs, die ich schätze und gerne lese:

Frau Siebensachen

Wildgans’s Weblog

Cloudette

Leben.Läuft.

Good Word for Bad World

Wortventil

Die Tauschlade

Viel Vergnügen!

Polizeistaat im Kinderzimmer

Die großte Tüte mit dem Geschenkpapiermüll ist schon runtergebracht. Ja, auch wieder genug schönes Papier zum Weiterverwenden aufgehoben, kein Thema. Die Urzeitkrebseier sind zum Schlüpfen angesetzt. (Die werden uns aber nichts tun, frage der Fünfjährige, der noch die Bilder vom Krebsfangen in Bullerbü vor Augen hat, und ich wiege nicht ganz sorglos den Kopf, warum steht auch auf der Packung, dass die Entsorgung der Tierchen über die Kanalisation verboten ist, während man sie unbedenklich als Fischfutter an Freunde weitergeben darf?) Wir haben alle Möglichkeiten der „Alligator-Rettung“ – so der Name eines Kästchens mit Forscher, Boot und Krokodil – besprochen: Muss der Forscher vor dem Alligator gerettet werden oder umgekehrt? Rettet der Forscher das Tier vor der Umweltverschmutzung im Regenwald oder das Tier den Forscher vor irgendeiner Gefahr auf seiner Reise auf dem großen Fluss? Die Wissensbücher sind mit einem undankbaren „Och, nochn Buch“ beiseitegelegt worden – ohne dass ich einen Überblick hätte, bei wem ich mich wofür genau jetzt bedanken muss.

Und natürlich haben die Kinder ihre heiß ersehnten Legokästen ausgepackt und einen langen, geduldigen Vormittag mit den verschiedenen Beutelchen voller Kleinstteile verbracht. Hinterher wird gespielt – und erst da fällt mir auf, dass ich beim Geschenkekaufen besser hätte aufpassen müssen. Gegen den Autotransporter des Fünfjährigen ist nichts einzuwenden. Aber der Neunjährige holt zu seinem neuen Polizeilaster (ausgestattet mit erstaunlich umfangreicher Abhör- und Überwachungstechnik – und mit einer Kaffemaschine) auch noch das Museum mit den Einbrechern, den Polizeihubschrauber und ein Polizeiauto hervor, von dem ich garnicht wusste, dass er das auch schon besitzt. Das Kinderzimmer ist plötzlich voller kleiner Legopolizisten mit festen, entschlossenen Mienen, die kleinen Legodieben – schlechtrasierten Typen mit einem fiesen Grinsen in den finsteren Gesichtern – hinterherjagen.

Eigentlich habe ich das ja garnicht so, bei der Erziehung meiner Söhne jedes Klischee vermeiden zu wollen. Aber was für ein ur-amerikanisches Weltbild wird hier eigentlich via Gabentisch in mein Kinderzimmer eingeschleust? Nicht allein, dass weder auf der Seite der Guten noch auf der Seite der Bösen eine einzige Frau mitmischt – die Begeisterung meines Sohnes für die Jagd der guten Polizisten auf die bösen Bösewichte beginnt mir insgesamt vage Bauchschmerzen zu machen. Hätte ich ihm doch lieber das Bergwerk oder die Küstenwache gekauft! Aber die gab es ausgerechnet in dem Laden nicht, in dem ich auf die größte Legoauswahl gehofft hatte. Und auch bei diesen Bausätzen wird ja zusammen mit den kleinen Steinchen ein Weltbild geliefert, eins, in dem gerettet und gelöscht und die Ordnung eines westlichen Mittelschichts-Lebens wiederhergestellt wird; eins, in dem nichts vorkommt, was diese Ordnung in Frage stellt; eins, in dem frohgemut und fortschrittsgläubig Diamanten in der Arktis oder Bodenschätze in den Bergen abgebaut werden, von Männlein mit immergleichen entschlossenen Heldenmienen.

Und weil Weihnachten ist und ich nicht so viel anderes im Kopf habe, denke ich mir beim Gemüseschnippeln meine eigene Lego-City-Serie aus: Das Gerichtsgebäude, in dem ein korrupter Banker auf der Anklagebank sitzt. Die Maquila, in der heimlich eine Gewerkschaft gegründet wird. Die Kirche mit der Suppenküche hinten dran. Der Supermarkt, hinter dem containert wird; zusammen mit dem Auto von der „Tafel“. Der Wohnwagenpark, in dem ein Rockkonzert stattfindet. Und das Riesen-Set: Ein Flüchtlingswohnheim, zusammen mit dem Containerschiff, in dem die Flüchtlinge übers Meer kommen.

Klar: Kinder – Jungs – meine jedenfalls – mögen Helden. Gut und Böse hübsch getrennt. Und Probleme, die durch ein paar ordentlich ausgerüstete Polizisten gelöst werden können. Wahrscheinlich würde niemand die Kästen kaufen, in denen ich meine Sicht auf die Gesellschaft untergemogelt hätte, weil wir Eltern unseren Kindern ja im Grunde ein Leben in einer Welt wünschen würden, in der die Dinge so einfach wären, wie Lego sie nachbaut. Und ganz klar: Auch ohne meine politischen Bausteinsets werden meine Kinder mitbekommen, wie ich die Welt sehe.

Aber eins steht trotzdem fest – auch wenn die Kindergeburtstage näherrücken und die Wünsche groß sind: Noch mehr Polizei kommt mir so schnell nicht ins Kinderzimmer.

Eine Liebeserklärung

Nach vier oder fünf Wochen ohne Wege zur Kita oder zur Schule habe ich so gar keine Lust, wieder früh aufzustsehen, Vesperdosen zu füllen, an alle Siebensachen zu denken und pünktlich loszugehen.

Aber den ersten Morgen versüßt mir mein fünfjähriger Sohn. Kurz vor sechs kommt er angetappt, im Halbschlaf lasse ich ihn unter meine Decke kriechen, gebe ihm einen Kuss und murmele: Ich hab dich lieb! Ich hab dich auch lieb, Mama, sagt mein Sohn, bis zum Himmel und wieder zurück! – Bis hierhin kennen wir das ja aus diesem kleinen Büchlein. Aber mein Sohn findet noch Steigerungsmöglichkeiten: Und bis nach Belgien. Und Italien. Uuuuund… Frankreich und Portugal.

Ich ahle mich in einer der schönsten Liebeserklärungen, die ich je von einem meiner Kinder bekommen habe. Aber nicht lange. Mama, sagt der Fünfjährige, du kannst doch nicht mehr heiraten, oder? Für dich ist das zu spät!

Nee, nee, antworte ich, so einfach ist das nicht, man kann auch heiraten, wenn man schon älter ist.

Ach ja, erinnert sich mein Sohn, weil du noch nicht geheiratet hast!

Nee, erkläre ich ihm, ich könnte auch wieder heiraten, wenn ich schon mal verheiratet gewesen wäre. Wenn man verheiratet ist und jemand anderen heiraten will, kann man sich ja scheiden lassen. Dann ist man nicht mehr verheiratet.

Mein kleiner Sohn kuschelt sich nachdenklich an mich, und ich sage schnell: Aber ich würde nie, nie, nie jemanden heiraten, der nicht auch dich und deinen Bruder liebhat und für euch da sein will.

Oh, sagt der Fünfjährige, offensichtlich angetan von seiner guten Idee: Dann kannst du doch Papa heiraten!

Jetzt müssen wir aber wirklich aufstehen, sage ich – glücklich, weil mein Sohn mir seine Liebe zeigt. Und wieder einmal traurig, weil meine Kinder nie aufhören werden, sich zu wünschen, dass ihre Eltern sich auch lieben könnten.

Blicke nach vorn und Blicke zurück

Weil die Festzeit durch die Kindegeburtstage bei uns immer bis Anfang Februar dauert, stellt sich hinterher immer nochmal ein verspätetes Jahresanfangsgefühl bei mir ein. Noch dazu beginnt der Countdown bis zur Umstellung unseres Wechselmodells: Ganze Wochen mit meinen Kindern! Und dazwischen Wochen, die sie bei ihrem Vater verbringen werden, in denen ich nur den Neunjährigen in den Sportverein und wieder nach Hause begleiten werde.

Mehr Tage am Stück ohne meine Kinder also, ein anderer Rhythmus des Familien- und Alleinlebens, Zeiten, die ich anders als bisher füllen könnte – mein Kopf jedenfalls füllt sich schon mal mit Ideen. Sooo lange nicht mehr Tango getanzt! Könnte ich irgendwo mehr über Zeichnen und Malen und Collagen lernen? Hab ich da nicht mal was über kleine dienstagmorgendliche Zen-Meditationen irgendwo in Berlin gelesen? Und wie ist das eigentlich mit meinem gelegentlichen Wunsch, mein Leben irgendwann wieder mit jemandem zu teilen, nicht nur die Kuchenstücken, nicht nur die kleinen Fluchten, sondern den Alltag, das Trockenbrot (au weia, beinahe aussichtslos, aber dazu vielleicht mehr in einem anderen Beitrag demnächst) –

Erst mal kommt die Post und bringt ein Büchlein, weitgereist, aus irgendeinem Übersee-Antiquariat. Gedichte von Bronwen Wallace, deren Geschichtensammlung „Wem Du Dein Leben anvertraust“ seit vielen Jahren zu den Büchern gehört, denen ein Platz in meinem wenn-du-nur-fünf-Bücher-mitnehmen-könntest-Koffer sicher wäre. Jetzt lese ich ihre Gedichte, die nie ins Deutsche übertragen worden sind, und fange enthusiastisch damit an, ein oder zwei davon zu übersetzen – enthusiastisch zumindest so lange, bis meine Besuchsfreundin mich vorsichtig darauf hinweist, dass sich das, was ich da produziert habe, äußerst holprig liest.

Na dann eben nicht. Dann kümmere ich mich eben erst mal um unsere Fotos aus den letzten 16 Monaten. Sichte, sortiere, wähle aus dem, was wir festgehalten haben, die Momente aus, an die wir uns irgendwann beim Betrachten unserer Alben erinnern werden: Das durch die Luft wirbelnde Kissen auf der Party zum fünften Geburtstag meines kleinen Sohnes, kurz bevor es seinen Vater trifft, im Hintergrund die triumphierenden Geburtstagsgäste auf dem Hochbett. Den kritischen Blick, mit dem mein großer Sohn im Waldhäuschen in der Pfanne mit den Pilzen rührt. Das atemlose Staunen meiner Kinder beim Runterschauen aus der Gondel einer Seilbahn, in der sie mit ihrem Vater im Sommer gefahren sind. Und die Grimassen, die sie zu dritt, abends, vor dem Spiegel ihrer Ferienwohnung geschnitten haben. Das Lachen der Mütter, mit denen ich einen heißen Sommertag auf einem Kurausflug nach Hiddensee verbracht habe. Unser Drachen, den ein plötzlicher Windstoß beiseite getrieben hatte, so dass nur noch sein Schwanz durch den blauen Ostseesommerhimmel auf dem Foto wirbelt. Das Gesicht des Inselmannes im Rückspiegel seines Autos, umgeben von gelben Rapsfeldern im Oderbruch, und die Tropfen, die aus den schaurigschwarzen Wolken gerade auf die Frontscheibe zu prasseln beginnen. Die bunten Abdrücke von Ostereiern im Schnee. Meine Kinder, wie sie mit ihren stolzen Großeltern einen Spaziergang machen, wenige Minuten, bevor der damals Vierjährige in den Bach fällt und unter einer Brücke hindurchgespült wird. Ein Holzbrett mit selbstgefüllten Ravioli, neben dem der damals Achtjährige stolz posiert. Meine Söhne und ich, strahlend und erwartungsvoll, unter dem Weihnachtsbaum von 2013 und unter dem von 2012.

Blicke nach vorn und Blicke zurück. Augenblicke, an die ich mich erinnere, und Augenblicke, die ich mir vorstelle.

Und dazwischen das Hierundjetzt, wo ich mich in Gedichte von weit her vertiefe, in denen sich Bronwen Wallace mit Momenten aus ihrer Erinnerung auseinandersetzt. Und wo die Vorfrühlingssonne auf die letzten Schneereste scheint und alles, was ich mir ausmale, für möglich erklärt.

Fragen zum Freitag

Gehört es zur manuellen Therapie, dass man sich hinterher fühlt wie frisch verprügelt? Werde ich mich je wieder jung fühlen, wenn ich jetzt dauerhaft einen roten Mobi-Ball mein eigen nenne? Warum sahen die Übungen bei der Therapeutin so einfach aus und: werde ich mir das Genick brechen, wenn ich versuche, sie nachzuturnen?

Werden die Finanzmärkte zusammenbrechen? Werde ich vorher noch meine Steuererklärung fertigbekommen? Werde ich einen neuen Trainingsanzug für den Achtjährigen bekommen, bevor wir zur Kur fahren?

Warum liegen da schon wieder zwei IKEA-Tragetaschen voller zu klein gewordener Sachen von meinen Jungs? Darf ich ein wirklich hässliches Regencape wegwerfen, obwohl es nicht im engeren Sinne kaputt ist, oder muss ich es unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten für den Vierjährigen aufheben?

Wird es am Wochenende wirklich die ganze Zeit regnen?

Ist „Kill Bill“ der richtige Film, wenn man in der zornigen Phase von „etwas verarbeiten“ ist? Muss man immer alles verarbeiten? Warum gibt es Krebs? Hilft es, für jemanden zu beten, der von jemandem Abschied nehmen muss, der an Krebs stirbt? Hört Gott einem überhaupt noch zu, wenn man länger nicht mit ihm geredet hat?

Werden wir jetzt alle älter?

Und wie lange brauchen Rennmäuse, bis sie erwachsen sind? Musste ich in der zweiten Klasse auch schon Kurzvorträge über Haustiere halten?

Gibt es auf der Welt eigentlich mehr Fragen oder mehr Antworten?

Die Wissenschaft hat festgestellt

Beim Radiohören am Morgen wurde ich neulich mal wieder mit den neuesten Erkenntnissen aus der Wissenschaft versorgt. Anscheinend wurde jetzt nachgewiesen, dass das Tragen von Rucksäcken zu Schuldgefühlen führt. Ehrlich wahr! Probanden, die während eines vorgeschobenen Experimentes einen fünf Kilo schweren Rucksack trugen, wählten aus mehreren angebotenen Belohnungen angeblich hinterher tendenziell das Obst, während andere, deren Rucksack nur ein Kilo schwer war, ohne Skrupel zu den Schokoriegeln griffen. Wenn man den Schluss akzeptiert, dass das Auswählen von Obst dem Kompensieren von Schuldgefühlen durch korrektes Verhalten diente, war die Studie wohl einigermaßen eindeutig.

Ich muss sofort an den schweren Ranzen meines Achtjährigen denken. Wenn er stattdessen einen dieser neumodischen Schulrollis hätte – würde er dann noch mehr Schokolade essen wollen? Oder vielleicht ein glücklicheres Kind werden? Müssten Schulranzen schleunigst verboten werden oder hätte Bioessen bei Kindern dann gar keine Chance mehr? Nein halt: Schulranzen lieber erst verbieten, wenn die psychischen Folgen des Schulrolliziehens gründlich erforscht sind. Am Ende fühlt man sich angebunden, wenn man ständig eine Last hinter sich herziehen muss? Entwickelt einen starken Freiheitsdrang und eine rebellische Tendenz zum Schulschwänzen?

Ich schiebe die Frage erstmal beiseite – die Kinder sind eh bei ihrem Papa – und betrachte kritisch die Sachen, die ich heute mit mir rumtragen werde. Ein Buch, ein Päckchen, das zur Post muss, eine Orange, diverse Unterlagen, eine Flasche homöopathische Tropfen. Wenn ich die Kinder am Nachmittag abholen muss, muss morgens schon das sperrige Buddelzeug mit. Und nachmittags kommen die Einkäufe dazu und die halbleergegessenen Vesperdosen und die Jacken, für die es am Nachmittag zu warm ist – für all das brauche ich auch einen Rucksack. Jetzt weiß ich endlich, warum ich mich als Mutter dann immer so unzureichend fühle.

Heute kann ich die Handtasche nehmen, zum Glück. Aber ich schalte das Radio lieber mal aus. Ob das Tragen von Lasten an einem Schulterriemen ins emotionale Ungleichgewicht führt oder zu einer einseitigen Weltsicht – das will ich jetzt gerade lieber nicht auch noch wissen.

Aber eins wird mir klar, als ich zur S-Bahn renne, während die schwere Tasche von meiner Schulter baumelt: Die spirituelle Läuterung auf langen Pilgerwegen… müsste dann ja wohl umso stärker ausfallen, je mehr Gepäck man mit sich rumträgt. Ob das schon mal einer untersucht hat?

Wissenschaft ist schon irgendwie lustig.