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Gesehen, gelesen, gehört… im Dezember

Inspiration für den Wunschzettel: „Dear Santa,“ steht auf meiner ersten Weihnachtskarte, „please give me a big fat bank account and a slim body – and don´t mix it up as you did last year.“

Aus der schönen Duden-Reihe zum kreativen Schreiben, aus der Sonja vor einiger Zeit einen Band vorgestellt hat, habe ich mir nun doch zuerst den Band „Schreiben dicht am Leben“ von Hanns-Josef Ortheil gekauft – über das Notieren und Skizzieren. Was für eine Fülle an schriftstellerischen Notizgewohnheiten und -projekten da vorgestellt wird! Was für eine Menge an guten Ideen, mein Tintenroller streckt gleich erwartungsvoll den Kopf aus der Dose, in der ich meine Stifte aufbewahre. Aber ach! Weder das regelmäßige Festhalten von Morgengedanken um fünf Uhr noch die tägliche Beobachtung und Beschreibung eines belebten Platzes wird so recht Platz in meinem Alltag finden. Trotzdem: Anregend, rundherum! Vielleicht wird sich die eine oder andere Idee ja doch umsetzen – und das Ergebnis sich auf meinem Blog lesen lassen.

Beeindruckend und ein wenig verwirrend, bedeutend und berührend: Der Roman „Das große Haus“ von Nicole Krauss. „Schare ein Volk um die Gestalt des Verlustes, den es erlitten hat, und lasse alles dessen abwesende Form  spiegeln“, lässt die Autorin einen jüdischen Gelehrten über den „Urverlust“ des jüdischen Volkes, den niedergebrannten Tempel von Jerusalem, sagen. Den Gestalten späterer Verluste – den abwesenden Formen, die die Zeit des Holocaust auf vielfältige Art und Weise in den Leben von Menschen hinterlassen hat – spürt Nicole Krauss in ihrem Roman nach: Vielschichtiger, als sich beim einmaligen Lesen erfassen lässt, poetisch und in gekonnt miteinander verbundenen Geschichten.

„About As Helpful As You Can Be Without Being Any Help At All“ … manchmal werde ich tatsächlich durch besonders beeindruckende Bezeichnungen auf Musiktitel aufmerksam. Dieser hier von Dan Mangans ist wunderschön – so schön, dass ich sofort zu tanzen beginnen möchte.

Mehr Postkarten aufgestellt: Zum Beispiel die mit dem Frosch, der dem Storch mit beiden Händen den Hals zudrückt – obwohl sein Kopf schon tief im Schnabel des etwas pikiert dreinschauenden Vogels steckt. „Gib niemals auf!“ – Und den „Laternenbaum“ aus der immer wieder schönen Fotopostkartenserie von Martina Issler. Dutzende golden leuchtende Laternen in schwarzen Novemberästen vor dem tiefblauen Abendhimmel.

Und mehr Musik! Nach dem Renovieren bin ich noch immer dabei, Stapel alter CDs durchzusehen. Mag ich die Musik? Höre ich sie jemals? Kann sie in die Bibliothek auswandern oder gar in den Mülleimer, da ich upcycling-Kunstwerke aus alten Silberscheiben nicht besonders mag? Aber siehe da, ich entdecke auch kleine Schätze: Anne Sofie von Otter meets Costello – „For the Stars“ verwebe ich in ein ganzes faules Adventswochenende; möchte Ihre weiche, klare, wunderschöne Stimme immer wieder von vorn hören.

Vom Totenbett einer ungewöhnlichen Frau – Mutter, Vogelkundlerin, Künstlerin und Umweltaktivistin – aus erzählt Joyce Hinnefeld in ihrem Roman „Die Luft, die uns trägt“ die Geschichte des Lebens und der Familie dieser Frau. Dass die Erzählung ein wenig unfertig wirkt, nicht glattgeschliffen, oft mehr Reflexion aus der Perspektive der Tochter ist als Handlung bietet, lässt das Buch sehr persönlich wirken. Und gerade das hat mir gefallen. Viele kleine umgeknickte Ecken. Viele kleine Sätze, die mich beeindruckt haben. Schön.

Und zum Jahresabschluss noch Alexander Osangs Roman „Königstorkinder“. Ein arbeitsloser ostdeutscher Journalist in einem sinnfreien Beschäftigungsprojekt, eine süddeutsche Irgendwas-mit-Medien-Ehefrau-und-Mutter in einer dieser schicken neuen Stadthaus-Siedlungen. Zwei Menschen, die aufeinandertreffen, mitten in Berlin – und eine Geschichte, die sich selbst in Frage stellt. Sehr, sehr lesenswert!

Gesehen, gelesen, gehört… im November

Den November beginne ich ganz häuslich. Die Postkarte, die jetzt hier auf meinem Schreibtisch steht, zeigt zwei Füße in Wollsocken. Die stehen auf einer Waage. Auf der Digitalanzeige steht: „Du bist schön“. – Jaaaa!

Und nebenbei läuft Musik von Tired Pony, die ich vor allem gekauft habe, weil ich den Bandtitel so schön finde, müde, wie ich selber grade so oft bin. Das Album „The Ghost of the Mountain“ stellt sich als sanfte, ein wenig melancholische Musik heraus. „I just wanna be the man you come home to every night“ singt Gary Lightbody. Sowas will ich hören. Vor allem im grauen November.

Bea hat mir „Die italienischen Schuhe“ von Henning Mankell empfohlen – und auch gleich ausgeliehen. Ja, sie ist schön, und trotz des unverkennbar melancholischen Tons, in dem Mankell schreibt, auch hoffnungsvoll, diese Geschichte von einem alten Arzt, der sich jahrelang auf einer Insel verkriecht – bis eines Tages die Frau, die er als junger Mann geliebt und verlassen hat, seine Einsamkeit stört und von ihm verlangt, ein damals gegebenes Versprechen einzulösen. Das karge, einsame Leben eines Sonderlings, in das Lebendigkeit zurückkehrt – immer wieder der Stoff für wunderbare Geschichten. Auch hier.

Zu spanischen und lateinamerikanische Schriftstellern habe ich ein eher distanziertes Verhältnis. Vielleicht schreiben sie ja nicht alle dicke Romane voller Düsternis und Melodrama, aber „Das Spiel des Engels“ von Carlos Ruiz Zafón – ein Zufallsfund aus der „Villa Libris“ – einer zum Buchtauschhäuschen umfunktionierten Telefonzelle – bietet ziemlich genau die Zutaten, die ich in einem dicken, aus dem Spanischen übersetzen Wälzer vermuten würde: Finstere Gassen und Straßen (es sind die Barcelonas zu Anfang des 20. Jahrhunderts, das Buch gehört, wie Wikipedia weiß, zu einer auf vier Bände geplanten Reihe von Barcelona-Romanen) schaurige Friedhöfe, ein Teufelspakt, eine geheime Bibliothek der vergessenen Bücher, ein fluchbelegtes Haus, eine unendlich tragische Liebe und blutige Verbrechen. Schon spannend. Schon faszinierend. Aber… alle vier werde ich vielleicht trotzdem nicht lesen.

Welch ein Glück: Sie hat noch mehr geschrieben! „Alles, was das Leben ausmacht“ ist eine Sammlung „plaudernder Feuilletons“ – oder „Leichtfertiger Essays“, wie der Untertitel sie nennt – von Anne Fadiman. Auch wenn nicht alle ihre Texte – über Schlaflosigkeit, Kaffee, Charles Lamb, literarische Weltanschauungskrige, Colerige, die Post und das Sammeln von Schmetterlingen, zum Beispiel – gleich faszinierend sind: Sie kann es einfach. Klug, lustig, unterhaltsam, lehrreich, plaudernd und leichtfertig schreiben. Mehr davon, bitte!

Gesehen, gelesen, gehört… im Oktober

Die schönste Berlin-Postkarte der letzten Zeit ist eindeutig die mit dem Spruch „I like Ersatzverkehr“. Schade, dass ich die nicht schon im Sommer entdeckt habe, als es wirklich welchen gab. Aber der Winter mit seinen Zugschäden steht ja vor der Tür. Das Motiv würde sich auch als Ansteckbutton gut machen. Man könnte die Karte auch jedem verkauften Jahresabo der Berliner Verkehrsbetriebe als kleine Aufmerksamkeit beilegen… Ach ja: nicht vergessen – die Karte stammt aus der wunderbaren Berlinfoto-Serie von Tom Bäcker.

Mehr von Valerie Wilson Wesley: Auch „Vier Frauen“ ist kein Krimi, sondern ein, hm, vielleicht: Lebensmitte-Entwicklungsroman. Der Protagonist kann sich nicht recht zwischen drei Frauen entscheiden (wer die vierte aus dem Titel ist, bleibt offen für Spekulationen) – nein, eigentlich möchte er sie am liebsten alle behalten. Man ahnt von Anfang an ein wenig, für welche er sich – gereift und etwas weiser – am Ende entscheiden wird, und mir ist das ein bisschen zu glatt, um wirklich überzeugend zu sein. Aber wie die Autorin ihre Figuren liebevoll beschreibt und an ihren Kümmernissen wachsen lässt – das mag ich.

Joan Didions Buch „Das Jahr magischen Denkens“ ist das bewegendste Buch über Trauer, das ich kenne. Ganz genau beschreibt sie ihre Gefühle in dem Jahr nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, in dem sie gleichzeitig um ihre schwer erkrankte Tochter bangen muss. Auf der Suche nach Urlaubslektüre bin ich auf ein weiteres Buch dieser Autorin gestoßen. In „Blaue Stunden“ erzählt Joan Didion von ihrer Trauer um ihre dann ebenfalls verstorbene Tochter und von der Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Altern, mit der Angst vor ihrem eigenen Tod und dem Verlorengehen all der Erinnerungen, mit denen sie lebt. Auch in diesem Buch bin ich wieder berührt von Joan Didions klarer und schlichter Art, Gedanken, Gefühle und Erinnerungen darzustellen; ihre Leser an ihnen teilhaben zu lassen. Verstörende Lektüre.

Auf der Suche nach Zeichenbüchern für meine Kinder habe ich mich an eines erinnert, das ich selbst als Kind gern und oft angeschaut habe. Antiquarisch ist das Buch anscheinend nicht erhältlich, einer Wiederauflage von ostdeutschen Kinderbüchern wahrscheinlich nicht zugänglich, weil auch die deutsche Ausgabe damals in einem Budapester Verlag erschienen ist. Aber im Regal meiner Schwester habe ich es wiedergefunden. „Der Bleistift erzählt“ von Pál Korcsmáros hat jetzt auch meinen Kindern gefallen. Dabei sind die kleinen Geschichten, die thematisch zu bestimmten Zeichenmotiven (Pflanzen, Tiere, Häuser, Menschen usw.) passen, schon ziemlich sozialistisch: Der Zauberer geht in den Ruhestand, weil ihn die menschengemachten Zauberdinge wie Eisenbahnen und Flugzeuge zu sehr einschüchtern; die Geschenke des Riesen werden am Ende abgelehnt (Aber immerhin kommen Zauberer und Riesen vor!), und durch fleißige Arbeit kann eigentlich alles erreicht werden. Die Bilder, die ich als Kind so gerne betrachtet habe, haben ihre Ausdrucksstärke aber nicht verloren – und die Geschichten – nun ja: vielleicht habe ich sie mit ihrem Zukunftsoptimismus auch selber damals schon als eine Art Märchen gelesen. So wie meine Kinder jetzt.

Mein neustes schönes Leseerlebnis stammt von Anne Fadiman und heißt „Ex Libris“. Mit ihren kleinen Aufsätzen über Bücher – das Leben mit Büchern, das Sammeln von Büchern, das Lesen, die Freude an unbekannten Wörtern, das Verheiraten zweier Bibliotheken – habe ich eine lange, lange Fahrt durch Berlin – mitsamt diversen „Folgeverspätungen wegen eines Polizeieinsatzes“ – in lächelnder Entrückung verbracht. Eine späte, dem Schlaf abgetrotzte Stunde unter der Bettdecke. Und noch eine kleine Fahrt zur Arbeit, wieder lächelnd, wieder in anderen Welten. Mein Lieblingsessay ist der, in dem Anne Fadiman über den Umgang mit Büchern schreibt – den ritterlichen, der nur das bedachte Blättern erlaubt, und den mehr „leiblichen“, bei dem das Lesen Spuren hinterlassen darf – und dem die Autorin genausosehr anhängt wie ich. Meine bittere Enttäuschung darüber, nicht mein an einen geliebten Freund verliehenes Exemplar eines Buches zurückzubekommen, sondern ein nagelneues, ohne Spuren meiner eigenen oder seiner Lektüre – Anne Fadiman hätte sie verstanden. Es gibt Bücher, die ich selber gerne geschrieben hätte. Dieses ist eins davon.

Es weihnachtet schon, ein ganz kleines bisschen! Schuld ist die Schachtel, die wir zum Adventskalender für Lehrerin und Erzieherin des Achtjährigen beitragen müssen. Ob da ein paar schöne Sterne reinpassen? „Origami. 21 Sterne“ von Carmen Sprung liegt schon eine Weile im Regal, und jetzt holen wir es endlich vor. Nein, Origami ist nicht mein Hobby. Aber Sterne! Sterne müssen sein, und die in diesem Buch sind wunderschön. Diejenigen, die nur ein einziges Schwierigkeits-Sternchen haben, kann sogar der Vierjährige schon mit ein bisschen Hilfe. Alter Falter, so stolz waren meine Kinder lange nicht mehr auf was Selbstgebasteltes…

The winners are…

Zettelchen geschrieben, Zettelchen gefaltet. Zettelchen gezogen und auf die drei Kartenstapel verteilt. Gespannt wieder aufgefaltet.

Bei meiner Bloggeburtstags-Postkartenverlosung haben gewonnen: Gundi, Cloudette und Susanne.

Herzlichen Glückwunsch! Das Brieflein an Susanne ist schon beinahe auf dem Weg. Gundi und Cloudette: Mögt Ihr mir per Mail (gretainberlin1@web.de) Eure Adressen schicken?

Und dann: Viel Freude an den Postkarten!

 

Gesehen, gelesen, gehört… im September

Schon wieder ein Monat rum! Meine Berlin-Impressionen habe ich wieder aufgegeben, das machen andere besser. Aber gelesen habe ich wieder ein bisschen. Und Postkarten aufgestellt. Und Musik entdeckt: Wunderschöne Musik! Das Duo Stiehler/Lucaciu mit ihrem „Märchen von der Wolke“. Hören, Träumen, Weiterschenken…

Wollte ich eigentlich zum Schulanfang verschenken, habe ich dann aber doch selber behalten: Die Karte mit dem kleinen Hasen, der ziemlich laut „Du schaffst das!“ ruft. Passt ja nicht nur gut, wenn ein neues Schuljahr anfängt, sondern auch, wenn da immernoch so(oooo) viel in der Wohnung ausgemistet werden will. Und wenn der Wasserhahn tropft…

Valerie Wilson Wesley ist eigentlich mehr für ihre Krimis bekannt. Ja, die lesen sich. Aber berührt hat sie mich mit ihrem Roman „Es wird alles anders bleiben.“ Hutch, der nach zehn Jahren Ehe eines nachts seine Frau mit den Worten „Es herrscht keine Freude zwischen uns“ verlässt – und Eva, die verwirrt zurückbleibt, müssten sich selbst und das wiederentdecken, was ihnen im Leben wichtig ist. Ein Lebensmittebuch. Eins zum Gutfühlen; eins, bei dem man den beiden Protagonisten von Herzen ihr Happyend gönnt.

„Auch dieses Maurerdekolleté bei der Bückware / war mal ein Vollmond, unter dem sich zwei küssten (…)“ – Zeilen wie diese schreibt Ulrich Koch. Viele seiner Gedichte in dem Band „Uhren zogen mich auf“ beschwören Bilder mitten aus einem staubigen und ernüchterten Alltag herauf – und unterlegen sie gleichzeitig mit Poesie und Sehnsucht. Wie schön, einen Autor zu entdecken, der die Welt auf diese Weise sieht – und in Worte fassen kann.

In den Buchhandlungen liegt das Buch „Leise Menschen“ aus – beim Nachlesen von Amazon-Rezensionen bin ich dann gleich auf jede Menge – überwiegend englischsprachiger – Bücher über Introversion gestoßen. Eine neue Buchmarktwelle im Anrollen? Entschieden habe ich mich für „The Introvert´s Way. Living a Quiet Life in a Noisy World“ von Sophia Dembling. Amerikanische Ratgeber sind natürlich so eine Sache – aber dieses Buch habe ich mit Vergnügen gelesen, weil es so locker und lustig daherkommt. Ok, es geht in den kurzen Texten, mit denen die Autorin introvertierte Menschen ermutigen will, ihr Lebensgefühl nicht als Defizit zu sehen (entstanden wahrscheinlich aus dem Blog „The Introverts Corner,“ den die Autorin für „Psychology Today“ schreibt) insgesamt ein bisschen zu oft darum, wie man eine Party als erster verlassen kann, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Und ein bisschen zu wenig darum, wie man ihre Tipps für ein ruhiges Leben umsetzen soll, wenn man Kinder hat. Aber zumindest einen Satz werde ich im Kopf behalten: „I approach socializing like I do broccoli. It´s good for me even if I´m not one hundert percent enthusiastic about it.“ Ich gehöre zur Zielgruppe, eindeutig.

An dem Tag, an dem… der Englischtest des Achtjährigen für den nächsten Tag angekündigt wurde, ich gefühlte sieben nur halb ausgefüllte Arbeitsblätter in seinem Ranzen fand und die Aufforderung der Lehrerin, doch bitte mal dringend zum Elterngespräch zu erscheinen… habe ich eine alte Postkarte vorgekramt und aufgestellt. Janoschs Frosch liegt auf dem Rücken, schaut in den Himmel und sagt: „Alles ist auf eine so wunderbare Weise ja gar nicht wahr.“ Ich leg mich ein Weilchen dazu.

Gesehen, gelesen, gehört… im August

…Immer wieder schön, auch wenn die letzte Bahnreise ganz glatt ging: Die Karte „Service-Offensive“ von Tetsche. Eine Abfahrtstafel der Deutschen Bahn mit zahlreichen Verspätungsmeldungen – um eine „Trost & Rat“-Spalte ergänzt. „Toll ist es da sowieso nicht“ (über 120 Minuten später) oder „Zelte am Service-Point“ (über 24 Stunden später) sind nur zwei von vielen schönen Ratschlägen. Na dann gute Reise. Nach Mainz – oder wohin auch immer.

Ansonsten – was habe ich im August eigentlich gemacht? Garnichts? Jedenfalls keine Filme gesehen, keine neue Musik gehört, keinerlei Postkartenläden geplündert.

Gelesen habe ich mich durch die beiden Nursery-Crimes-Bände von Jasper Fforde. Ja, ich mag seinen schrägen und klugen Humor. In dieser Serie schafft Fforde den Charakteren der englischen Nursery Rhymes einen Zufluchtsort in Berkshire. Und dementsprechend hat die Polizei von Reading (Natürlich Reading! Welcher Ort wäre geeigneter für ein Buch von Fforde?) eine Abteilung, die für Verbrechen an und unter diesen Figuren zuständig ist. Ob Rumpelstilzchens Stroh-zu-Gold-Scheunen geschlossen werden müssen, Humpty Dumpties Fall von der Mauer aufzuklären ist oder der Verbleib von Goldlöckchen nach ihrem Aufenthalt im Haus der drei Bären Fragen aufwirft – Jack Spratt und seine Mitarbeiter kümmern sich darum. Ihren Ermittlungen bin ich gespannt – und lachend – gefolgt.

Ein schönes Buch-Erlebnis mit den Kindern war „Wo rennt Rudi? Mein Wimmelbilderbuch von der Stadt.“ Um den dauerjoggenden Rudi geht es darin eigentlich am allerwenigsten. Sondern um die japanischen Touristen, die befreundeten Hoteputzfrauen, eine alte Dame, die die Liebe findet, einen vom Pech verfolgten Malermeister und noch viele andere nett gezeichnete Figuren. Klar, es gibt heute jede Menge wirklich schöne Wimmelbücher. Das hier ist auf alle Fälle ein prima Geschenk – der Vierjährige war begeistert, und der Achtjährige saß plötzlich auch bei uns in der Kuschelecke und hatte seinen Spaß.

Gesehen, gelesen, gehört… im Juli

„Flüge weltweit ab € 29,-“ steht auf meiner neuesten Sommer-Reiselust-Postkarte. Über einem Foto von zwei Reisigbesen. – Ja: Nehmt mich mit!

Beim Aufräumen im Bücherregal bin ich auf ein Buch gestoßen, das ich dort irgendwann mal „für später“ abgelegt hatte. „Hexen, Hobbits und Piraten“ von Susanne Gaschke ist eine Sammlung von Vorlese- und Leseempfehlungen für Kinder und bis ins Jugendalter. Und weil mein Vierjähriger jetzt doch allmählich „Astrid-Lindgren-fähig“ ist und ich die ewigen Baustellenbücher ziemlich satt habe, bin ich gern auf Entdeckungsreise gegangen. Die Autorin verzichtet ganz explizit auf jeden Vollständigkeitsanspruch und stellt ins Zentrum ihrer Empfehlungen ihre eigenen Kindheitsleseerfahrungen aus den 70er Jahren – so dass ihre Leselisten eher nicht eins zu eins abzuarbeiten sind. Unser Versuch mit Mary Poppins ist auch gleich mal kläglich gescheitert, das fanden meine Söhne ziemlich langweilig. Trotzdem habe ich die eine oder andere Anregung mitgenommen. Und mir fest vorgenommmen, mehr vorzulesen. Richtige Bücher. Ohne Baufahrzeuge.

Wieder was gelernt: Es gibt Online-Druckereien, bei denen man Postkarten in Auftrag geben kann. Wow! Susannes Postkarten sind wunderschön. Ganz besonders die Amsel und die Himbeerblüte – die bekommen einen Ehrenplatz hier auf meinem Schreibtisch.

Die Bücher, die ich an der See gelesen habe, bilden zusammen einen ganz ordentlichen Stapel.

Anthony McCarten ist zu Recht vor allem für sein Buch „Superhero“ berühmt, dieser zutiefst nahegehenden Geschichte eines krebskranken Jungen, der die Liebe noch entdeckt und ganz nebenbei – während sein eigenes Sterben voranschreitet – einen anderen Menschen (seinen Therapeuten? Ist ein Weilchen her, seit ich das Buch gelesen habe…) ins Leben zurückholt. Ansonsten hat der Autor ein Händchen für skurile Settings. Eine Mehrfachehe in London. Ein Wettbewerb, bei dem derjenige das Auto gewinnt, der am längsten ununterbrochen seine Hand daraufhält. Das Buch, das mir noch fehlte, ist „Liebe am Ende der Welt“. Dort gibt es drei Mädchen, die zeitgleich behaupten, von Außerirdischen schwanger zu sein. Aus dieser Situation – wie aus allen anderen – strickt der Autor spannende Geschichten und füllt seine Bücher mit fehlbaren Menschen, die man mag, weil er sie mit Wärme und Augenzwinkern beschreibt. Schön.

Besonders gefreut habe ich mich, dass von meiner liebste Lieblingskrimiautorin Fred Vargas in diesem Sommer wieder ein neues Taschenbuch in den Läden liegt. „Die Nacht des Zorns“ nimmt eine alte Legende auf, die jemand nutzt, um einige Morde zu begehen. Aber gelesen habe ich das Buch natürlich vor allem wegen Jean-Baptiste Adamsberg, ihrem großartigen Kommissar.

Als eines der weniger guten Bücher von Hakan Nesser wurde mir „Die Einsamen“ beschrieben. Aber da ich genügend Zeit hatte, mich auf die ausführlichen Erzählungen aus dem Leben der Menschen einzulassen, aus deren Freundeskreis einer an genau der Stelle zu Tode stürzt, an der 35 Jahre früher schon seine Lebensgefährtin zu Tode kam, hat mir auch dieses Buch gefallen. Und auch wenn die  Ermittlungshandlung sich zwischen den vielen Rückblenden tatsächlich ein wenig im Kreis dreht: Meine Sympathie für Gunnar Barbarotti und Eva Backman wächst mit jedem Buch, in dem die beiden mir begegnen.

Jojo Moyes´ Buch „Ein ganzes halbes Jahr“ wird blogauf, blogab gepriesen. Und dann landete es in der Kurmitte als Geschenk auf meinem Bücherstapel, gerade als ich ein Wohlfühlbuch dringend brauchte, um die ersten Gedanken daran zu vertreiben, dass ich mich nicht endlos an der See vor meinem Alltag verstecken kann. Ja, ich kann mich dem Lob nur anschließen: Ein schweres Thema – darf man als nach einem Unfall gelähmter Mensch entscheiden, sein Leben zu beenden? Sogar angesichts eines Menschen, den man zu lieben beginnt? – Und trotzdem ein Lesevergnügen, das aufbaut und nicht deprimiert.

Und dann hatte die perfekte Mutter mitbekommen, dass ich mich für Krimis interessiere, und stand plötzlich mit „Rauhnacht“ von Volker Klüpfel und Michael Kobr vor meiner Tür. Das schenke ich Dir! War eh nur ein Mängelexemplar! Eigentlich hätte ich sie gerne darauf hingewiesen, dass auch ich mit der Bahn abreisen musste und kein zusätzliches Gepäck gebrauchen konnte. Aber so schlagfertig bin ich meistens nicht. Und dann habe ich doch mal reingelesen. Ob das, was ich als leicht hausbacken und bedaubig wahrgenommen habe, nun die spezielle Allgäu-Atmosphäre war, die die Kluftinger-Krimis zu Bestsellern macht? Warum ich das Buch ausgelesen habe, war auch hier wieder der Kommissar. Der schon mal am Frühstücksbuffet ein Brötchen aushöhlt und mit Marmelade füllt, weil er nicht weiß, wie er die sonst transportieren soll. Und der das, was er da herausgehöhlt hat, mal eben im nächsten Warmhaltebehälter entsorgt. Und sich auch sonst nicht immer so recht zu benehmen weiß. Das menschelt richtig schön.

Gesehen, gelesen, gehört… im Juni

Fotokunst! Berlin ist voller richtig guter Ausstellungen, man muss sie nur finden. Und Zeit haben. Thorsten Wormuth zeigt gerade Fotos unter dem Motto „Die Rückeroberung der Freiheit“. Wunderbare Werke, für die das Fotonegativ nur die Ausgangsbasis ist, die der Künstler mehrfachbelichtet und tont und weiterbearbeitet… und zu vielschichtigen, poetischen Kunstwerken macht. Schnell hingehen!

Ein paar Bücher, die nicht mit in die Kurkiste gekommen sind, habe ich jetzt schon mal gelesen. Kindheitsgeschichten aus Amerika! Jeanette Walls erzählt in „Schloss aus Glas“ von ihrer Kindheit, die von Armut, Hunger und dem Umherziehen mit ihren Eltern – der malenden Mutter und dem trinkenden Vater mit den großen Träumen – geprägt ist. Das ist hart und anrührend. Und lesenswert.

Beim Lesen von Jodi Picoults  „Die Wahrheit der letzten Stunde“ kann man den Film schon fast sehen, der aus diesem Buch gemacht werden könnte (oder vielleicht schon gemacht worden ist). Eine Siebenjährige hat nach der Trennung ihrer Eltern plötzlich eine unsichtbare Freundin, die sich als „Gott“ vorstellt, dem Kind heilende Kräfte verleiht und es mit Stigmata zeichnet. Der Rummel, den das auslöst, ist packend beschrieben. Man kann das Buch als eine Geschichte über Zweifeln und Glauben lesen – aber auch – wie ich – als ein Buch über die Mutter des Mädchens und darüber, wie sie die Trennung von ihrem Mann verwindet und in ihrer Mutterrolle wächst. Spannend ist das Buch in jedem Fall.

„Die Geschichte der Liebe“ habe ich nur deshalb aus ihrem unwürdigen Dasein auf dem Büchergrabbeltisch errettet, weil im Klappentext vermerkt war, dass es sich bei der Autorin um die Frau von Jonathan Safran Foer handelt. Aber Nicole Krauss hat es nicht nötig, sich im Schatten ihres Mannes zu verstecken, ganz und garnicht. Berührend und voller Wärme verwebt sie in ihrem Roman große Themen miteinander: das Heranwachsen und das Altern, die große Liebe und die Trauer um die große Liebe – und eine Lebensgeschichte, die vom zweiten Weltkrieg und der Flucht aus Polen in die USA geprägt ist. Von dieser Autorin möchte ich noch viele Bücher lesen.

Noch mehr Geschichte! Nämlich „A short history of Tractors in Ukrainian“ von Marina Lewycka. Eigentlich ganz passend, denn auch hier geht es um eine vom zweiten Weltkrieg geprägte Familien- und Lebensgeschichte – um eine Familie, die aus der Ukraine nach Großbritannien geraten ist. Unter der heiteren Oberflächte – der verwitwete Vater heiratet eine junge Ukrainerin mit großen Träumen vom westlichen Lebensstandard, aus deren kostspieligen Fängen seine Töchter ihn zu befreien bemüht sind – liegt die durchaus ernste Auseinandersetzung mit dieser Familiengeschichte, in der die Töchter – eine während des Krieges geboren, eine danach – eine ganz unterschiedliche Welt vorfanden, zu ganz unterschiedlichen Menschen heranwachsen konnten. Ja, das Buch war bei seinem Erscheinen zu Recht berühmt und hat den „Bollinger Everyman Price for Comic Fiction“ (mit dem die englische Ausgabe beworben wird) – allemal verdient. Auch wenn ich von diesem Preis vorher noch nie etwas gehört hatte.

Und ein Buch zum Entspannen in anstrengenden vorletzten Schuljahreswochen: ein Istanbulkrimi –  „Bakschisch“ von Esmahan Aykol. Eine in Istanbul lebende Deutsche wird in einen Mordfall verwickelt (nicht zum ersten Mal, es gab da schon ein Vorgängerbuch). Aber weniger die Krimihandlung als die Art und Weise, wie die Ich-Erzählerin Istanbul sieht und von ihrem Leben als Deutsche in dieser Stadt erzählt, ist faszinierend. Ach, dort wollte ich eigentlich schon lange mal hinfahren… Und ja: Auch wenn das ignorant klingt, mich nach der Vorstellung zu sehnen, die ich von Istanbul habe – angesichts dessen, was dort in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist. Trotzdem möchte ich da hin, eines Tages.

Ein nachdenklicher Film, den meine ganz große Schwester mitbrachte: „Der Novembermann“. Ein Pfarrer verabschiedet seine Frau in ihren alljährlichen Toscanaurlaub. In derselben Nacht verunglückt sie tödlich – aber nicht auf dem Weg in die Toscana, sondern in einem Reisebus nach Bremen. Ihr Ehemann muss sich damit auseinandersetzten, dass sie seit zehn Jahren jeden November mit einem anderen Mann verbracht hat. Ein Film über Beziehungen und über Trauer, ein Film, in dem ich nicht vorhersehen konnte, was als nächstes geschehen würde. Und der sich nicht auf die Seite einer seiner drei Hauptfiguren stellt, sondern den Zuschauern erlaubt, sie alle zu verurteilen oder zu verstehen. Oder beides. Sehenswert.

Und begonnen hat der Monat mit einem Lachen: „Ein ganzer Schrank voll nix zum Anziehen“ ist meine neueste Postkartenentdeckung. Schön.

Gesehen, gelesen, gehört… im Mai

Noch so ein Seelenbuch! „Quasikristalle“ von Eva Menasse. Dass die Buchhändlerin nicht in der Lage war, das Buch in ihrem Online-Katalog zu finden, als ich was von „Semikristallen“ und „Manesse“ erzählte, ist eine ziemliche Schande für den stationären Buchhandel (Den man ja unterstützen will… Und ich beschwere mich hier nicht über etwas, von dem ich nichts verstehe – ich habe selber im Buchhandel gearbeitet und dem einen oder anderen Kunden – „ich suche dieses Buch, es ist rot“ – mit Kreativität, Verkaufswillen und ausgefeilten Fragetechniken weitergeholfen.) Aber das nur am Rande. Ich hatte schon eine Rezension bei dasgrauesofa gelesen und war dann doch unsicher, ob ich das Buch mögen würde. Aber: mich hat es kein bisschen gestört, dass die Geschichte der Frau, deren Leben hier stückweise in den Geschichten von Menschen aus ihrem Umfeld vorkommt, nicht durchgängig und lückenlos erzählt wird. Jeder dieser Texte ist spannend in sich. Und der eine, in dem sie selbst zu Wort kommt – ein Lebensmittetext rund um die verwirrenden Gefühle, mit denen man sich selbst nach den anstrengenden Jahren mit sehr kleinen Kindern wieder zusammensammelt – der ging mir nahe, sehr. Unbedingt lesen!

Ich bin eine einigermaßen bereitwillige Briefkasten- und Balkonsitterin für Freunde. Aber worauf ich leidenschaftlich gern mal aufpassen würde, ist die Musiksammlung des Inselmanns. Der Ohrwurm des Monats ist von Tapes ’n Tapes, ganz klar. Nur dass ich selber nicht weiß, ob mir „Freakout“ am meisten im Kopf schwirrt. Oder das melancholische „Badaboom“. Oder „Insistor“. Kackmusik, sagt der Vierjährige. Aber ich mach sie trotzdem ab und zu an, manchmal sogar ein bisschen lauter. Yeah!

Letztens habe ich ausprobiert, wie es ist, mit meinen Kindern Kunst anzuschauen. Paul Klee und Johannes Itten werden zur Zeit hier in Berlin im Martin-Gropius-Bau gezeigt, es geht um das Thema Farbe. Schöne bunte Bilder. Der Vierjährige durfte den funkelnden Farbenturm im letzten Ausstellungsraum neu starten; beide Kinder waren begeistert von der kleinen fahrbaren Hebebühne, mit der ein Arbeiter zur Zimmerdecke gehoben wurde, um eine Glühbirne auszuwechseln; und die Freundin, die uns begleitete, fand es gut, sich mal nicht so lange in einer Ausstellung aufhalten zu müssen. Und ich war zufrieden, dass alle zufrieden waren…

…und noch viel mehr, nachdem ich mir im Museumsshop sämtliche Postkarten mit Engelzeichnungen von Paul Klee gekauft hatte – wenige karge Striche, große Augen, spitze Flügel – obwohl die garnicht Teil der Ausstellung waren. Den vergesslichen Engel, der voller Scham zu Boden blickt und den Schellen-Engel mit den übermütig funkelnden Augen; den Engel voller Hoffnung und die „Krise eines Engels“ und den Engel, der garnicht Engel heisst, sondern „es weint“. Der steht jetzt auf meinem Schreibtisch; alles hier ein bisschen nass von seinen Tränen. Er holt ein paar nach, für die ich immer keine Zeit finde, ihm kann man das anvertrauen.

Hakan Nesser ist einer der ganz Großen. Und anscheinend wird er immer besser. Ja, ich habe früher schon mal das eine oder andere Buch von ihm gelesen. Richtig klasse sind seine Krimis, seit er Inspektor Barbarotti ermitteln lässt. Der ist menschlich und warm und wehmütig, nicht so kulturpessimistisch wie Kurt Wallander und kein „Wolkenschaufler“ wie Jean-Baptiste Adamsberg… aber unbedingt einer der Kommissare, mit denen man gern lange Abende verbringt. „Am Abend des Mordes“ ist ein Buch über Verlust und Trauer, es ist Barbarotti, der trauert, die Krimihandlung steht – für mich – daneben eigentlich eher im Hintergrund. Aber es ist kein ausschließlich trauriges Buch – sondern ganz lebenszugewandt und voller Sätze, die man sich am liebsten rauschreiben möchte, so schön und wahr und poetisch sind sie.

Das große, dicke Vorlesebuch steht schon lange bei uns im Schrank. Ab und zu – an Tagen, an denen ich wirklich nichts über Baustellenfahrzeuge vorlesen möchte – hole ich es hervor. Bei den meisten Geschichten schütteln meine Kinder den Kopf: mögen wir nicht. Aber eine mögen wir alle. Unsere Lieblingsgeschichte „Hühnerlulu“ vom eigensinnigen Huhn, dass verreisen möchte und es dann auch tut – egal, was die anderen Hühner, der Bauer, seine Frau und die Kühe davon halten, hat Ulrike Kuckero geschrieben. Immer wieder schön.

„Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner“. Wer hats gesagt? Na? Diesen und andere nette Berlin-Texte schreiben jedenfalls die Postkartenmacher von Fundstück auf ihre Karten. Seit ich meine neue Lieblingsbuchhandlung in der Danckelmannstraße entdeckt habe – in der es diese und andere feine Karten gibt – finde ich Charlottenburg richtig schön. (Und die Auflösung? Fontane wars!)

Gesehen, gelesen, gehört… im April

Spiegel-Bestsellerliste hin oder her – wenn mir Bea vom MeinWald-Blog nicht „Die hellen Tage“ von Zsuzsa Bánk empfohlen hätte, hätte ich dieses wunderschöne Seelenbuch verpasst. Und das wäre sehr, sehr schade gewesen. Irgendwie hoffe ich immer noch, dass es weitergeht, dass ich erfahren kann, was aus den Menschen wird, deren Geschichten, deren helle und dunkle Tage da erzählt werden…

Durchgehalten und ausgelesen! Den „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier hatte ich vor längerer Zeit schon mal angefangen und zur Seite gelegt: zu konstruiert, fand ich damals. Jetzt mochte ich das Buch. „Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?“ – Das Buch kreist auf eine schöne Weise um diese Frage, finde ich jetzt. Aber verfilmt kann ich es mir schwer vorstellen. Es war vielleicht gut, nicht ins Kino zu gehen, sondern zu lesen.

Passend dazu die Postkarte des Monats: „Ich habe mich entschieden: Orange möchte ich sein. Aber was mach ich mit den anderen Farben?“ Leider gibt es diese Postkarte nur noch in den Erzählungen meiner ganz großen Schwester, die sie nach ihrer Entscheidung für eine bestimmte Stelle – für einen bestimmten Karriereweg – mal geschenkt bekam. Ich möchte  von den anderen Farben auch ein bisschen haben. Wenigstens ein bisschen.

Doris Dörrie mag ich sowieso. „Hanami“ gehört zu meinen allerliebsten Lieblingsfilmen. Jetzt habe ich mit einer Freundin in ihre nette kleine Serie „Klimawechsel“ hineingeschaut, die ich schon von einem unerwartet langen Abend mit meinen Schwestern kannte. Die Geschichten von vier Lehrerinnen in den Wechseljahren, den sie umgebenden Ehe- und sonstigen Männern und der nicht ganz harmlosen Frauenärztin, deren Praxis sie alle aus dem einen oder anderen Grund besuchen, sind so lustig (und bitterböse), dass man sofort alle sechs Folgen nacheinander sehen möchte. Auch beim zweiten Mal. Unbedingt! Stellt schon mal Wein hin.

Ein Essaybändchen: „Kränken und Anerkennen“. Gedanken um diese beiden Begriffe macht sich Corina Caduff. Schlicht und lesbar schreibt sie, führt nicht jeden Gedanken über Blicke und Krankheiten und Kunst, die Erfahrung des Fliegens oder das Jenseits, nicht jeden Aspekt des Gekränktwerdens oder Anerkanntwerdens bis ins letzte aus, aber inspiriert gerade dadurch. „Wir führen ein Patchworkleben und wünschen eine Gesamtanerkennung“. Da finde ich mich wieder. Interessante Lektüre!