Gefühlt ist irgendwie noch immer Mitte März, oder? Seitdem ist zwar Zeit vergangen, aber irgendwie nicht auf die gleiche Weise wie sonst. Trotzdem ist schon wieder der 5. – und Frau Brüllen fragt uns, was wir eigentlich den ganzen Tag so machen. Links zu allen Beiträgen gibt es bei ihr.
Mein Wecker klingelt um zehn nach sieben. Das ist angenehm, vor allem, wenn der Abend mal wieder lang war; oft wird er das, am Telefon mit dem Hannoverliebsten. Ich brauche ein paar Minuten, um mich zu motivieren, die Augen aufzumachen. Dann gehe ich mit dem kleinen Radio ins Zimmer des Elfjährigen (der bei seinem Papa ist) und mache zu den Informationen-am-Morgen ein bisschen Gymnastik. Hinterher Bad. Dann bereite ich das Frühstück vor: Kaffee, Tee, Toast, Marmelade, Käse. Zehn vor acht wecke ich den Fünfzehnjährigen. Wir frühstücken zusammen.
Kurz vor halb neun ist der Küchentisch abgeräumt und das Laptop des Fünfzehnjährigen aufgebaut – sein Schularbeitsplatz. Wir gehen gemeinsam die Emails der Lehrer durch und der Fünfzehnjährige schreibt eine Liste aller Aufgaben, die er heute bearbeiten muss und eine zweite Liste mit Aufgaben, die er in den nächsten Tagen bearbeiten muss und schon vorliegen hat. Während ich mich an meinem Dienstrechner anmelde, klingelt der Elfjährige. Sein Arbeitsplatz ist am Wohnzimmertisch, wenn ich am Schreibtisch sitze, ist das direkt hinter meinem Rücken. Nachdem wir ein paar Netzwerkprobleme behoben haben, geht das Arbeiten los. Immermal trägt eins der Kinder seinen Laptop zum Bügelbrett, das rechts neben meinem Schreibtisch steht, stöpselt sich am Drucker an und druckt Arbeitsblätter aus. Der Elfjährige hat heute seinen Seufzertag: Geschichte und Geografie, insgesamt drei Stunden, das macht ihm keinen Spaß. Der Fünfzehnjährige ist sowieso nicht besonders intrinsisch motiviert und muss alle halbe Stunde gefragt werden, woran er gerade arbeitet. Immer hilft das auch nicht – es taucht auch heute wieder eine Rückmeldung der Französischlehrerin auf, die dazu führt, dass am Nachmittag noch etwas aus der letzten Woche nachgearbeitet werden muss.
Halb elf ist mein tägliches Teammeeting – keine besonderen Vorkommnisse. Der Chef freut sich auf seinen Friseurtermin, ein Kollege ist im Büro, das macht mich ein bisschen neidisch. Zwischendurch ruft der Vater meiner Kinder an, um ein paar Sachen abzusprechen; und dann telefoniere ich der Asthmaärztin des Elfjährigen hinterher, denn in der Ankündigung der Schule des Fünfzehnjährigen, dass nächste Woche ein Präsenz-Schultag (vier Stunden zu je 60 Minuten in Gruppen von acht Schülern) stattfinden wird, stand auch, dass Schüler, die in einem Haushalt mit Personen leben, die einer Risikogruppe angehören, die Schule nicht besuchen dürfen. Das muss also möglichst schnell geklärt werden.
Bis zum Mittag habe ich trotz aller Unterbrechungen auch etwas Büroarbeit erledigt. Der Fünfzehnjährige hat gestern Nudelsauce nach Art der großen Schwester vorgekocht, also muss ich nur Nudeln machen. Wir essen am Wohnzimmertisch, zwischen den Schulsachen, die der Elfjährige gerade aufräumt, dem neuen großen Puzzle und den Stoffzuschnitten für weitere Schutzmasken (weil die Kinder ja spätestens für ihren Schulweg auch welche brauchen werden). Der Elfjährige hat seine Aufgaben erledigt und geht wieder zu seinem Vater; der Fünfzehnjährige macht kurz Pause, ich gieße mir eine Tasse kalten Kaffee ein und setze mich zusammen mit meinem Mittagstief an den Rechner. Zum Glück wenig zu tun. Im Homeoffice darf man in diesem Fall ein bisschen Musik hören, finde ich; außerdem lese ich bei umstandslos die Artikel zum Elternsein in Coronazeiten und bin ganz berührt von der Fülle der Erfahrungen, die dort zur Sprache kommen. Gegen eins geht dann auch der Fünfzehnjährige zu seinem Vater, denn der hat Zeit, bei den schwierigen Fächern (wieder Geschichte, wieder Geografie – dabei machen die dem Fünfzehnjährigen sogar Spaß, wenn er sich den Stoff nicht allein erarbeiten muss) zu helfen. Ich arbeite ein bisschen. Zwischendurch ruft die Asthmaärztin zurück und beruhigt mich – beide Kinder dürfen zur Schule gehen, wenn Präsenzunterricht angeboten wird.
Gegen drei klappe ich mein Laptop zu und räume die Wohnung auf. Dann bringe ich meine Zähne auf Hochglanz und packe zwei Schutzmasken ein. Kurz nach halb vier bin ich mit dem Elfjährigen verabredet; wir haben beide unseren Kontrolltermin beim Zahnarzt. Die Praxis ist supergut coronaorganisiert: wir warten am Eingang, bis das Wartezimmer frei ist, desinfizieren uns die Hände, ich stecke selbst die Chipkarten ins Lesegerät, das gleich hinterher von der Arzthelferin für den nächsten Patienten desinfiziert wird. Unsere Schutzmasken dürfen wir erst auf dem Behandlungsstuhl ablegen; der Arzt und seine Assistentin tragen Plexiglasvisier und Handschuhe. Sehr beruhigend. Zum Glück ist alles in Ordnung, wir sind ganz schnell wieder draußen. Der Elfjährige geht nach Hause, ich gehe noch zur Juwelierin, die meiner Armbanduhr eine neue Batterie eingesetzt hat und zum Schreibwarenladen. In der Apotheke frage ich nach Einmalhandschuhen, mit denen ich mein Asthmakind in der S-Bahn ausrüsten will, wenn auch seine Schule Präsenztage anbietet: ausverkauft. Immerhin bekomme ich ein paar Papiermasken für den Fall, dass der Elfjährige unter den Stoffdingern doch nicht genug Luft bekommt.
Zu Hause erstmal ausgiebiges Händewaschen. Dann koche ich vor: Maisauflauf und Bohnensalat. Aus den Resten von heute Mittag mache ich ein warmes Abendessen für mich und den Fünfzehnjährigen. Der Abwasch muss auch erledigt werden. Nach dem Abendessen stelle ich mir Musik an und nähe vier Stoffmasken – eine für den Fünfzehnjährigen, eine für den Elfjährigen und noch zwei für mich. Leider ist der schöne blaue Stoff jetzt aufgebraucht, durch den es sich relativ angenehm atmet, weil er in seinem früheren Leben als Bettlaken schon so oft gewaschen wurde, dass er ganz dünn und weich geworden ist. Dafür sind meine neuen Masken in grün und rot sehr hübsch. Der Fünfzehnjährige hat sich unterdessen in die virtuelle kirchliche Jugendgruppe eingewählt und klingt von weitem sehr fröhlich.
Ich räume noch eine Runde auf und setze mich dann bei vorteilhaftem Licht in den Sessel, um noch ein Videotelefonat mit dem Hannoverliebsten zu führen. Um halb zehn kommt der Fünfzehnjährige aus seinem Zimmer und sagt kurz Hallo. Ich stoße kurz virtuell mit der Patentante des Fünfzehnjährigen an (unser Abendritual ist das) und nehme mir dann noch ein paar Minuten Zeit für den Fünfzehnjährigen. Als mir einfällt, dass heute der 5. Mai ist, fällt mein täglicher Vorsatz, endlich einmal früher schlafen zu gehen, dann doch wieder ins Wasser.
Macht nichts. Der Wecker klingelt ja erst kurz nach sieben…