Heute ist wieder WMDEDGT-Tag bei Frau Brüllen (wie immer mit sehr vielen anderen lesenswerten Beiträgen!) und ausnahmsweise habe ich rechtzeitig daran gedacht. Was ich an diesem 5. März gemacht habe? Hier steht es:
0.00 Ich steige in die S- Bahn um, mit der ich nach Hause fahren kann. Auf der anderen Seite des Mittelganges eine andere Frau, hinter mir eine Gruppe junger Männer, die sich angeheitert und angeregt auf Englisch unterhalten. Eigentlich ist diese Bahnlinie keine, in der Partyvolk unterwegs ist. Während ich noch überlege, ob wohl irgendwo entlang der Strecke eine Location eröffnet haben könnte, zu der das Grüppchen unterwegs ist, haben sie schon mitbekommen, das an der Fahrtrichtung irgendwas nicht stimmt. Die Frau gegenüber hilft: you have to go back here – einer der Männer hält ihr seinen S-Bahn-Plan entgegen – and go downstairs and change into this line, it will bring you there. Die Bahn hält, die Männer drängen zum Ausgang. Anscheinend haben sie etwas missverstanden: Während die Bahn wieder anfährt, verschwinden sie die Treppe hinunter in Richtung des Niemandslandes aus Schrebergärten und Plattenbauten. Die hilfsbereite Frau und ich lächeln uns achselzuckend zu.
0.15 Zu Hause. Das „neue In-Getränk“ (so die Studienfreundin, mit der ich es trank) in meinem Blut zieht stark in Richtung Bett. Der Kopf ist noch nicht so müde, eine der kleinen Kolumnen von Umberto Eco darf es noch sein; in „La bustina di minerva“ habe ich endlich eine Italienischlektüre gefunden, die Spaß macht und mir kleine bis mittelgroße (je nachdem, ob ich das Wörterbuch bei der Hand habe oder nicht) Erfolgserlebnisse beschert.
0.40 Licht aus.
6.15 Einmal zur Uhr blinzeln, Augen schnell wieder zumachen. Eine Runde Gedankenkarussell, dann schlafe ich weiter.
8.15 Wache wieder auf. Ich mache die Balkontür weit auf, krieche unter die Decke zurück und lausche dem Samstagmorgen: dem Rollen von Rädern auf der Autobahn, von S-Bahnen auf dem Gleis; dem Tuten von Dampfloks, die bestimmt zu einem Dampflokspektakel unterwegs sind. Ein früher Vogel übt ein monotones Tii-Tii-wipwip und verstummt beschämt, als eine Amsel ein paar Hinterhöfe weiter ihr Morgenlied anstimmt.
8.45 Es kostet Überwindung, in der kalt gewordenen Luft aus dem Bett zu steigen. Ich stecke in einer Sprossenphase, also spüle ich als erstes meine Mungbohnen-Keime, setze dann Kaffee-und-Tee-Wasser auf und stecke Mischbrotscheiben in den Toaster. Zu meinem Morgenritual gehören außerdem eine Kerze, das Umblättern des kleinen Weisheitssprüche-Kalenders auf dem Küchentisch (meistens vergesse ich die Sprüche sofort wieder, aber das Ritual ist trotzdem schön) und das Beantworten der Tages-Frage in meinem „Memories“-Büchlein, in dem man drei Jahre lang kleine Antworten notieren kann. „Wer ist mir heute zufällig über den Weg gelaufen?“ ist die heutige Frage, die werde ich erst am Abend beantworten können.
9.30 Heute steht Die Vierwöchentliche Ganz Große Hausstaub-Milben-Bekämpfungs-Aktion im Zimmer des Siebenjährigen an. Ich fange schon mal damit an, dass ich sein Bett abziehe und das Bettzeug mitsamt Kuschelhasi und Kissen zum Kochen in die Waschmaschine stecke. Dann schnappe ich meinen Einkaufstrolley (nicht sexy, aber immernoch die beste Alternative zu Autokauf oder Bandscheibenvorfall) und mache den Einkauf für nächste Woche.
10.30 Ich brauche die zweifache Lauflänge des aktuellen Live-Albums von Dota, um das Zimmer des Siebenjährigen zu putzen, auch das Bett des Elfjährigen frisch zu beziehen, seine sonstige Schmutzwäsche liegenzulassen (elf ist ein gutes Alter, um die neuronale Verbindung zwischen stinkenden Socken und Wäschekorb dauerhaft zu festigen), abzuwaschen, eine Laufliste für die neue Woche zu schreiben, die Wäsche aufzuhängen, noch ein Brot zu essen, ein paar sms zu schreiben, ein Paket für die Nachbarn anzunehmen („die niemals da!“, schimpft entrüstet die ältere, deutlich keuchende Paketzustellerin, „du mit ihnen reden, Pakete, immer Pakete, immer, und nie da! – geht sonst zurück, nicht mein Problem, andere Nachbarn Kind schlafen muss, nicht mehr klingeln!“) und in meinen Mails zu entdecken, dass meine Sendung von 40 Litern Wurm-Humus nicht bei einer der Nachbarsfamilien zugestellt wurde (wie im letzten Jahr, als ich seltsame Blicke erntete, weil das Paket in sehr großer Schrift mit dem – es für eine längere Aufbewahrung in Wohnräumen ungeeignet erscheinen lassenden – Slogan „SUPERWURM“ bedruckt war), sondern in die Postfiliale eingelagert wurde. Das hatte ich doch auch vermeiden wollen…
13.30 Ich schnappe mir also nochmal meinen Einkaufstrolley (diesmal nur das Gerüst – und einen langen Pack-Gurt) und zockele zur Post, die zum Glück noch offen hat. Der große Aufkleber auf dem Paket ist derselbe wie im letzten Jahr, die Postfrau schüttelt den Kopf.
Ächzend zerre ich den Trolley die Stufen zu meiner Wohnung hoch – 40 Liter Humus sind eindeutig schwerer als 40 Liter Federn.
13.50 Die zweite Maschine Wäsche läuft, ich stecke mein Buch ein und ziehe die Tür hinter mir zu. Nachbarn laufen mir unverhofft über den Weg (aha!) und erzählen vom kleinen Elefanten im Tierpark, den sie jetzt gleich angucken fahren.
14.20 Friedrichstraße. Durch die offene S-Bahn-Tür schaue ich einen Moment lang einem alten Mann beim Flaschensammeln zu. Er zieht eine kleine Taschenlampe aus der Jackentasche und leuchtet akribisch die Behälter für Restmüll, Plastikmüll und Papiermüll aus; zieht eine Cola-Dose hervor, die offenbar seine Sicht behindert hat. Findet trotzdem keine Flasche.
14.25 Hauptbahnhof. Ich springe aus der Bahn und die Treppen hinunter, ich habe mich in der Zeit verschätzt, ich wollte eigentlich am Spreeufer entlang nach Moabit schlendern und dabei Frühling gucken – jetzt wird es ein flotter Marsch, ich überhole Familien mit Kinderwagen, Einradfahrer, aufgeregt auf das Haus der Kulturen der Welt zeigende Touristen.
15.05 Mein alter Tanzbekannter und ich sitzen bei Kaffe und Kuchen, noch nicht ganz fertig angelernter Bedienung und Gesprächen über Lebens- Liebes- und Weltgeschehen beisammen. Bis zum nächsten Mal sollen nicht erst wieder anderthalb Jahre vergehen. Mal sehen.
18.35 In der U-Bahn lese ich ein paar neue Blogbeiträge; in der S-Bahn ein paar Kapital der „Gebrauchsanweisung für Schweden“ von Antje Rávic Strubel. Pfingsten reise ich nach Stockholm! Flüge und Unterkunft sind gebucht, jetzt habe ich auch die passende Vorfreudelektüre.
19.30 Sprossen spülen, Wäsche aufhängen, Yogavideo anschalten. Oooooooom…
20.30 Keine Lust zum Kochen, also gibt es ein Avocadobrot – heute mit viel Knoblauch, juchei, denn den Sonntag verbringe ich allein – und Salat aus der guten Hälfte einer angematschten Gurke.
21.00 Schreiben. Bestimmt gibt es später noch einen Abendkrimi. Ohhh ja!