Ich möchte eigentlich sehr ungern nochmal zu einem Familiensystem gehören, in das ein Kleinkind aus einer Kita Krankheitskeime einträgt, aber ich kann es nicht ändern. Die Patchworkfamilie des Vaters meiner Kinder hatte den Magen-Darm-Virus eigentlich komplett überstanden, als ich von meinem verregneten Bahnstreikradtoururlaub wiederkam, angesteckt habe ich mich dann aber doch noch. Der vergangenen Woche fehlen in meiner Erinnerung ungefähr zwei Tage, an die ich mich auch keinesfalls erinnern möchte. Danach habe ich entschieden, dass ich keine Lust auf Arztbesuch hatte, wieder gearbeitet, im Homeoffice auch niemanden angesteckt, viel Hygiene im Bad und Handschuhe bei der Küchenarbeit, damit die Kinder sich nicht reinfizieren.
Am Wochenende fing der Zwölfjährige dann ernsthaft mit der Erstellung seines Herbariums an, viele der gepressten Blätter sind super geworden, andere Baumarten mussten wir nochmal nachsammeln, um wirklich eindeutig bestimmbare Arten zu finden. Wussten Sie, dass Sommer- und Winterlinden miteinander hybridisieren und wie man das Ergebnis von einer Silberlinde unterscheidet? Oder dass eine Kreuzung aus Silberpappel und Espe eine Graupappel ist? Das Flatterulmen näher mit amerikanischen Ulmen verwandt sind als mit anderen einheimischen Ulmenarten, dafür aber weniger vom Ulmensterben betroffen? Wussten Sie wahrscheinlich nicht, auch ich habe viel dazugelernt. Ich liebe Bäume wirklich, werde aber derzeit von lateinischen Namen bis in den Schlaf verfolgt, dabei kann ich guten Gewissens sagen, dass der Zwölfjährige einen Großteil der Arbeit alleine macht.
Der neuen Woche zwei Bürotage abgerungen, das ist immernoch etwas besonderes und fühlt sich beinahe festlich an. Der Vater meiner Kinder legt ein Ich-darf-das-weil-Sorgerecht-Veto gegen die Corona-Impfung beim Zwölfjährigen ein und weil die Ärztin versichert, dass es nicht grob verantwortungslos ist, ihn nicht impfen zu lassen, lasse ich mich für den Moment darauf ein; behalte mir aber vor, das Thema erneut aufzubringen, wenn absehbar ist, dass der Zwölfjährige ungeimpft seinen Hobbies nicht mehr nachgehen oder nicht mehr am Präsenzunterricht teilnehmen darf. Gleich am nächsten Morgen kündigt Berlin optionale 2G-Regeln an, bei denen es auch für Kinder keine Ausnahmen geben soll. Oh Freude.
Irgendwie zwischendurch sehen wir noch die Wintersachen der Kinder durch, ich freue mich immer, wenn eine große Tüte entgültig zu klein gewordener Kleidung den Haushalt verlässt. Der Sechzehnjährige braucht ganz plötzlich ein neues schickes Hemd und einen Sakko, weil er als Helfer bei der mehrfachverschobenen Konfirmation mitmachen möchte, na gut, vielleicht verwächst er die Sachen ja nicht mehr gar so schnell wie in den letzten zwei Jahren und sieht auch an Weihnachten noch ordentlich darin aus.
Ob es machbar ist, in einem Dreipersonenhaushalt mit zwei Kindern einen Monat lang nur Lebensmittel zu kaufen? Diesen sehr lesenswerten Artikel zum Überkonsum hat Vanessa Giese verlinkt und ich bin beim Lesen in der S-Bahn durch heftiges Nicken aufgefallen. Funktionsfähige DInge durch neue, irgendwie ökologischere Produkte zu ersetzen, hat mir noch nie eingeleuchtet. Allerdings gebe ich für die Mobilität von drei Personen monatlich durchaus auch den für Autobesitzerhaushalte angegebenen Betrag von etwa 300 Euro aus, nur eben für Bahncard 50, S-Bahn-Abo (zum Glück kostenlos für Schüler in Berlin, sonst kämen auch noch zwei Schülerabos dazu) und Bahntickets. Fernbeziehung per Fahrrad führen funktioniert halt nicht und zur Arbeit laufen ist in Berlin für mich auch nicht darstellbar. Stichwort Bahn: Endlich mal einen nützlichen Gutschein erhalten, nämlich eine Freifahrt für einen Mitfahrer. Passt super zum geplanten Besuch von mir und dem Sechzehnjährigen bei meinem Vater in zwei Wochen. Bitte drücken Sie die Daumen, dass die Bahn auch heute Abend ordentlich verkehrt, der Hannoverliebste bringt mein Fahrrad nach Hause, das eines meines allerwichtigsten, liebsten Besitztümer ist, älter als der Sechszehnjährige, immer wieder repariert, weitgereist und wunderbar.
Die S-Bahn jedenfalls, auf der Rückfahrt vom Büro, ist voll, weil wegen irgendwelcher Bauarbeiten oder einfach aus Prinzip die allermeisten Züge nicht dorthin durchfahren, wohin sie laut Plan durchfahren sollten, was zu einer ziemlichen Verdichtung der Fahrgäste in den Bahnen führt. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, dass ich gerade heute gelesen habe, dass sich auch viele Geimpfte in geschlossenen Räumen mit hoher Viruslast mit Corona anstecken und frage mich trotzdem, halb unbewusst, ob eine Ansteckung jetzt nicht am wenigsten schlimm wäre, mit noch einigermaßem guten Impfschutz und dann einem vielleicht leichten Verlauf und dann supertollen Antikörpern im Winter.
An der Ecke in meinem Kiez, an der seit einigen Monaten ein Verschenkregal stand, dass vor einigen Tagen von der Berliner Stadtreinigung entsorgt wurde, zusammen mit einem Sofa, das irgendwer vor die Box gestellt hatte, steht jetzt ein neues Verschenkregal, das finde ich schön, weil ich den Gedanken des Weiternutzens unterstütze. Sofas im öffentlichen Raum zu entsorgen, unterstütze ich allerdings nicht, das möchte ich hier deutlich dazusagen.
Der Zug des Hannoverliebsten hat inzwischen 40 Minuten Verspätung, der Zwölfjährige ist eingetroffen und möchte mir Matherätsel stellen, die weitere Woche wird aus Homeoffice mit dem Hannoverliebsten bestehen und es wird regnen.