Lissabon-Tagebuch (4): Nur von außen – und ohne Gemüse

Einziger nicht nur zum Vergnügen, sondern als touristisches „Muss“ ausgewählter Punkt auf meiner Besichtigungsliste für Lissabon ist das Hieronymus-Kloster in Belem. Ein Riesengebäude – 300 Meter lang allein die Fassade – aus der Zeit, in der die Portugiesen Stück um Stück die Welt entdeckten, Seewege in bis dahin kaum zu erreichende Fernen fanden, Ruhm und Reichtümer nach Hause brachten und auf dem besten Weg zur reichen und bedeutenden Kolonialmacht waren. Ein architektonisches Sahnestückchen im „manuelinischen“ Stil – reinste Zuckerbäckerarchitektur.

Aber als wir die Schlange sehen, die da um Einlass ansteht, sehen meine ganz große Schwester und ich uns an und schütteln den Kopf. Nee, nee, stundenlang in der Hitze stehen wollen wir dann doch nicht. Also gucken wir uns die große Kirchenfassade von nahem und den Gesamteindruck mit allen Schnörkeltürmchen von weitem an, trinken einen Kaffee im Kulturzentrum gleich daneben, wo ich beim Versuch, mal wieder ein Sandwich von der Speisekarte zu bestellen (Pasta da Sardhina? Não!), eine klitzekleine touristische Portugal-Krise bekomme, und schauen uns dann noch das Denkmal der Entdeckungen aus den Zeiten des Salazar-Regimes an (dessen Stil durchaus an das eine oder andere DDR-Denkmal erinnert – und wie so ziemlich alles in Lissabon die Form eines Schiffsbugs aufgreift), die Weltkugel im Pflaster vor dem Denkmal mit den Jahreszahlen der großen Entdeckungen der portugiesischen Seefahrer und den wehrhaften Turm von Belem an der Tejo-Mündung, in dem die berühmten Kapitäne nach ihren Reisen (oder vorher?) vom König empfangen wurden. Aber wir bleiben dabei und bestaunen das alles nur von außen. Die Säle im Torre de Belem – weiß unser Reiseführer – sind sowieso inzwischen alle ganz leer.

Aber es gibt einen Ort, den meine ganz große Schwester heute von innen sehen möchte. Ein Lokal. Eins, in dem sie Sardinen essen kann. Gestärkt durch einen kleinen Ginjinha (Kirschlikör! Lecker!) machen wir uns im Barrio Alto auf die Suche. Restaurants gibt es hier wie Sand am Meer, klar. Aber das eine, feine, durch dessen Fenster meine Schwester am ersten Abend so viele glückliche Gesichter über Tellern mit gebratenen Sardinen gesehen hat – das finden wir nicht wieder, obwohl wir ziemlich genau unserer Spazierroute von vor zwei Tagen folgen. War es hier? Oder da? Noch eine Gasse weiter, an dieser Kreuzung oder an der dort? Wir geben auf und lassen uns in einem anderen Lokal nieder. Die auf der Karte angekündigte Beilage „Pimientos“ freut mich besonders – jedenfalls so lange, bis ich die drei weniger als einen halben Zentimeter breiten Streifchen Paprika sehe, die da liebevoll über meine drei Sardinchen gebreitet sind. Was in aller Welt machen die Portugiesen mit all dem Gemüse, das wir am Morgen in der großen Markthalle gesehen haben? In der Gemüsesuppe, die wir gestern gegegessen haben, war jedenfalls auch nicht mehr davon drin, als ich jetzt hier auf dem Teller habe.

Aber der Fisch ist fein. Wir bummeln durch den kühler werdenden Abend und sind glücklich.

7 Gedanken zu „Lissabon-Tagebuch (4): Nur von außen – und ohne Gemüse

  1. Susanne Haun

    Schade, liebe Greta, dass du uns keine Fotos von Lissabon zeigst. Das Kloster würde ich schon gerne mal betrachten, du weisst, ich bin ein visueller Mensch!
    Liebe Grüße von Susanne

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  2. Claudia Schipper

    LIebe Greta, danke für die Empfehlung zu meinen Fotos! Für das nächste Mal, dass du dort bist, kann ich die Besichtigung de Hieronymusklosters von innen nur empfehlen, es lohnt sich 🙂
    Viele Grüße,
    Claudia von Claudoscope

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    1. Greta Autor

      Liebe Claudia, ja danke – beim nächsten Mal gehe ich so früh hin, dass ich nicht anstehen muss. Jedenfalls nicht in der Hitze…
      Liebe Grüße! Greta

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