Nach ein paar wirklich anstrengenden Wochen beginnt das Leben sich leichter anzufühlen.
Mecklenburg-Vorpommern nimmt wieder Touristen auf, und dem Hannoverliebsten gelingt es, eine Ferienwohnung in Kühlungsborn für uns zu buchen. Pfingsten am Meer: Sonnenuntergang in blau und rosa; der Mond in Tagschicht; Kitesurfer mit bunten Gleitschirmen, die den starken Wind vor Heiligendamm nutzen, um weit hinaus aufs Meer zu gleiten und gegen den Wind mit atemberaubender Geschwindigkeit zurückzukommen; und natürlich renne auch ich in die rauschenden Wellen und fühle mich so lebendig wie lange nicht mehr.
In Kühlungsborn erreicht mich am Pfingstfreitag auch die gute Nachricht, auf die die ganz große Schwester und ich gewartet haben: Dänemark hat vor, die Grenzen für Ferienhaustouristen zu öffnen. Wir werden unseren Urlaub an der Lieblingsküste auf Falster machen können. Noch vier Wochen, noch 19 Tage Arbeit und 16 Tage Schule. Jetzt zähle ich wirklich runter.
Und das hilft, damit es auch zu Hause ein wenig leichter wird.
Leichter, das Chaos aus Bügelwäsche, Schulheftern, Kabeln, Laptops und schmutzigem Geschirr zu ertragen. Leichter, dem Fünfzehnjährigen zuzustimmen, dass seine Aufgaben wirklich aufwändig sind. Und eigentlich zu viele. Leichter, den Elfjährigen zwischen den Schulstunden bei mir und den Nachmittagen bei seinem Vater hin- und herhüpfen zu lassen. Leichter, obwohl das Gras auf dem Mittelstreifen der großen Straße nach drei heißen Tagen augustreif verdorrt ist und obwohl die sterbenden Bäume im Wald jetzt so viel besser zu sehen sind. Trotzdem leichter.
Ich kaufe Erdbeeren und Auberginen und Blumenkohl und Melone und Spargel und habe Lust, uns richtig schönes Essen zu kochen. Ich hole das Rezept für Hollundersirup hervor und setze Brennesselsud an, um die Blattläuse zu bekämpfen, die meinen Balkon für ihr persönliches Nirwana halten. Ich gehe raus, abends noch, mit der anderen Mitmutter in den Wald oder alleine die Gänserunde am Wasser.
Ich erlaube mir, nicht alles zu schaffen: nicht meine kompletten Arbeitsstunden; nicht die volle Konzentration; keine häuslichen Optimierungsprojekte, kein Sauerteigbrot, keine tägliche Meditation. Es darf alles so sein, wie es ist; wir müssen uns dabei noch nicht mal gut fühlen. Aber wir dürfen auch glücklich sein.
Mittags zum Beispiel, wenn ich mit einem Kaffee auf meinem Balkon Pause mache, wo gerade alles dschungelartig wuchert. Die Ringelblumen blühen und die Kornblumen, die Fuchsie und die Tomaten. Die wilden Malven haben so viele Knosten wie nie zuvor; Bienenfutter und Männertreu öffenen täglich neue Blüten. Die Bienen sind wiedergekommen und berauschen sich dran.