14.05.2021

Volle Wochen. Ein paar Tage in Weimar bei meinem Vater, dann Berlin, Arbeit, am Wochenende der Hannoverliebste zu Besuch. Dann wieder Arbeit – die Kinder haben gerade wegen der Abiturprüfungen nur sporadisch Unterricht und langweilen sich, sobald ihnen die elektronischen Geräte entzogen werden; nach der Arbeit Arzttermine, dann beginnt das lange Wochenende und ich fahre nach Hannover.

Trotz der vielen Abwechslung geht es mir im Berliner Alltag nicht gut. Der Blog als Klagemauer, vielleicht auch als Gedächtnisstütze für meine Gedanken in diesen Tagen: Anstrengend und langweilig ist mein Alltag, so, wie er zur Zeit eben ist.
Anstrengend, weil ich zusätzlich zur Erwerbsarbeit den Haushalt für drei Personen stemme, mich – nicht nur, wenn es um das Theme „Mithelfen im Haushalt“ geht – mit dem pubertierenden Sechzehnjährigen reibe; anstrengend, weil ich die „Lebensorganisation“ nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder ziemlich alleine mache und es auch dabei Reibung gibt, hier mit dem Vater meiner Kinder, der von seiner neuen Familie (und einem riesengroßen Problem im Zusammenhang mit dem gekippten Berliner Mietendeckel) absorbiert ist und trotzdem einbezogen werden muss, wenn es um Entscheidungen für unsere Kinder geht.
Langweilig, weil meine Arbeit mich nicht herausfordert; weil ich nichts dazulerne; weil ich wegen der Corona-Einschränkungen nicht viel von dem unternehmen kann, was mir früher gutgetan hat und weil mir – zusätzlich zu den Kontaktbeschränkungen – Kraft und Zeit fehlen, um Freundschaften und den Kontakt zu meiner Familie so zu pflegen, wie ich das gern machen würde.
Dass ich meine Zeit ohne die Kinder in Hannover oder Weimar verbringe, tut mir natürlich gut; verdichtet aber nochmal, was im Berliner Alltag zu erledigen ist.
Und ich habe keine wirklich guten Ideen, wie ich an der Situation etwas ändern kann.

Viele Frauen in meinem Alter, sagt die neue Hausärztin, berichten ähnliches, stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Sie schreibt mir ein Osteopathierezept, aber um regelmäßige Termine wahrzunehmen, bräuchte ich eine Krankschreibung dazu. Sie schickt mich zum Schilddrüsenultraschall, aber die Erschöpfung könnte auch einfach komplett psychisch sein.

Helfen würde eine Perspektive für die Schulöffnungen. Nehme nur ich das so wahr, oder reden die Politiker jetzt alle sehr viel weniger davon, dass die Kinder und Jugendlichen und die Schulen Priorität haben – so wie es im Herbst immer tönte? Ich weiß keine Inzidenzzahl, ab der wieder vollständiger Präsenzunterricht vorgesehen ist. Gibt es die? Die Impfpriorisierung wird aufgehoben – in Berlin noch früher als deutschlandweit – ohne dass irgendjemand ernsthaft vorschlägt, jetzt bevorzugt die Jugendlichen zu impfen, damit die ihr Abitur in der Schule vor Ort machen (und wieder vor Ort in den Unis studieren!) und ihren Hobbies endlich wieder nachgehen können. Die Familien – die Kinder, die Jugendlichen, die mehrfachbelasteten Mütter – werden hängengelassen, und das macht mich fertig. Und nein, da hilft auch kein weiterer Kinderbonus in Höhe von 150 Euro pro Kind und da helfen auch keine Ladenöffnungen und keine Reiseerleichterungen. Nicht, wenn der Sechzehnjährige weiter keine Jugendfahrten machen kann und Schulunterricht fast nur noch parallel zu youtube stattfindet; nicht, wenn der Zwölfjährige weiterhin keine Schachturniere spielen darf und keine Matheförderung mehr erhält; nicht, wenn niemand einen sinnvollen Plan macht, wie das nächste Schuljahr ohne erneuten Hybridunterricht und ohne erneutes Homeschooling ablaufen kann.

Und ungefähr so sieht das aus, was wir als Familie ohne Auto zur Zeit machen können: Fahrradausflüge am Wochenende. Am letzten, zum Beispiel, als es so schön warm war. Frühes Aufstehen und für mich und Picknick vorbereiten. Stressiger Aufbruch, weil die Fahrräder alle aus dem Keller gezogen und verschiedenste Tickets gekauft werden müssen. Die Bahnen nach Brandenburg sind voll; die Fahrräder stehen mit Ach und Krach irgendwo im Nicht-Fahrrad-Bereich, ich muss – mit dem Hannoverliebsten als Rückendeckung traue ich mich wenigstens – die Mitreisenden bitten, ihre Masken über die Nase zu ziehen, der Zwölfjährige wird ganz blass vor lauter Luftmangel und Enge. Am Ankunftsbahnhof müssen erstmal Jacken verstaut werden; der Sechzehnjährige verleiert die Augen, weil er endlich losfahren will. Der Zwölfjährige sagt nach zwei Kilometern, dass er die Strecke wahrscheinlich nicht schafft und muss erstmal sehr, sehr ermutigt werden. Wir haben uns an eine neue Route gewagt, die ist am Anfang auch sehr schön, aber dann, als wir rasten wollen, gibt es keine Bänke oder gar Picknickplätze mehr, und auf der Karte war auch nicht vermerkt, dass der Radweg auf kleinen Straßen entlangführt, auf denen gerade heute alle Biker Berlins und Brandenburgs die erste Ausfahrt des Jahres machen. Am Zielbahnhof sind wir alle erschöpft; und dann kommt ja noch die Heimfahrt, nochmal im vollen Zug, denn die Kampfradler, die heute morgen um sechs Uhr gestartet sind, sind jetzt auch schon mit ihren 120-Kilometer-Strecken fertig und fahren mit uns zurück. Der Sechzehnjährige bekommt beim Einsteigen einen öffentlichkeitswirksamen Wutanfall, weil das Rad des Zwölfjährigen quer in seinem Weg steht; dem Zwölfjährigen fällt das Fahrrad auf die Hand, als der Zug bremst, und dann sind wir irgendwann zu Hause und ich frage mich, ob dieser Ausflug die Mühe wert war.

Meilensteine: In zwei Wochen die zweite Impfung. Nein, ich werde auch dann nicht Party machen, sondern weiterhin im Homeoffice arbeiten, den Hybridunterricht meiner Kinder überwachen und Essen für sie kochen. Danke der Nachfrage. In sechs Wochen Ferien. Vielleicht fahren wir wirklich nach Dänemark, wenn es unsere Konstellation aus drei Haushalten, die Mischung aus ganz, halb und garnicht geimpften Menschen und die Regelungen für Ferienhausaufenthalte, Quarantäne und Freitesten dann zulassen. Die schiere Komplexität all der Regelungen nimmt mir bis jetzt alle Vorfreude. In acht Wochen dann knappe drei Ferienwochen ohne meine Kinder. Vielleicht ein paar Osteopathietermine. Vielleicht schwimmen gehen. Vielleicht draußen Kaffee trinken mit Freundinnen.

Aber dann?

2 Gedanken zu „14.05.2021

  1. Franzi

    hallo,

    Du hast zwei Mal „jungendlich“ statt jugendlich geschrieben (: . Freudsche Vertipper mit Deinen zwei Jungs. In der Sache bin ich voll bei Dir. Finde es auch schlimm, wie die jungen Leute grad hinten anstehen und vergessen werden. Mein 16jähriger ist 11. Klasse und soll in einem Jahr Abi machen, dabei war er seit November keine 10 Tage in der Schule. Dazu habe ich noch eine 13jährige Achtklässlerin und eine Zweitklässler und es tut einfach weh zu sein, wie sie seit einem Jahr auf dem Abstellgleis sind und das gesellschaftlich so hingenommen wird. Andere Länder schaffen es doch auch, die Schulen offen zu lassen.
    herzliche Grüsse

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    Antwort
    1. Greta Autor

      Hallo Franzi, danke für den Hinweis auf die beiden Freud’schen Vertipper 🙂 Ich hoffe so sehr, dass unsere Kinder im nächsten Schuljahr den Weg zurück in die „Normalität“ finden, wieder ihren Hobbies nachgehen und ein wenig von dem nachholen können, was sie verpasst haben. Bis zu den Sommerferien hat Berlin gerade beschlossen, beim Hybridunterricht zu bleiben, unabhängig von der Inzidenz. Und genau wie letztes Jahr, als die Berliner Kinder noch zu Hause lernen mussten, während in Thüringen schon mit relativ klugen Konzepten partiell Präsenzunterricht angeboten wurde. Das macht soooo müde. Liebe herzliche Grüße zurück von mir!

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