Weiterschreiben. Die Lust aufs Schreiben wächst wieder, langsam; aber ob das reicht? Ich verspreche mal lieber garnichts…
Mein letzter Beitrag aus dem Herbst enthielt einige eingehende Whatsapp-Nachrichten, falls noch jemand neugierig ist, wie das ausging: nicht gut. Der Leipziger Onlinebekannte hatte nach unserem ersten Treffen schon einen Platz für mich in seinem Leben vorgesehen; sein Bild von mir und von einem fantasierten „uns“ fertig, quasi ohne mich ein einziges Mal richtig angesehen zu haben.
Und wünschen wir uns das nicht am allermeisten, wenn wir eine neue Beziehung suchen: angesehen zu werden, wirklich gesehen zu werden?
Wie schon viele Jahre vorher haben wir etwas später im Herbst einige Tage im Waldhäuschen verbracht, zum ersten Mal einige davon ganz allein zu dritt, und das ging gut, überraschend gut. Eine weitere Alleinpremiere für mich und den Neunjährigen und den Dreizehnjährigen war der Heilige Abend, auch das haben wir gemeistert; nicht ganz ohne Traurigkeit, weil ich es mir doch eigentlich anders wünsche und mir eine lange Tafel mit vielen Freunden vorstelle…
Inzwischen lebe ich hier mit einem Zehn- und einem Vierzehnjährigen. Bedeutende Zahlen! Der Vierzehnjährige verbringt seit einem halben Jahr (vielleicht hat die fehlende Muße zum Schreiben ja ganz banal damit zu tun) zwei Drittel seiner Zeit bei mir, der Zehnjährige weiterhin die Hälfte. Am Horizont zieht eine große Familienfeier auf: Konfirmation… nicht ganz unkompliziert in unserer Familienkonstellation, aber ein schöner Tag soll es doch werden für den Vierzehnjährigen. Deshalb darf auch die neue Partnerin des Vaters meiner Kinder eine Einladung bekommen, deshalb sehe ich zu, dass ich die einzige Ferienwohnung im Kiez rechtzeitig buche, um die Thüringer Gäste unterbringen zu können, deshalb schaue ich mir die Webseiten von Caterern an, bis mir vor lauter Altberliner Buffetvorschlägen ganz schlecht wird, deshalb sitze ich abends am Rechner und stelle Fotos aus 14 Jahren zusammen, die ich mir kaum nacheinander ansehen kann, ohne sehr, sehr rührselig zu werden (wo ist die Zeit nur geblieben?), deshalb lasse ich den Vierzehnjährigen, der eine Krawatte tragen möchte, im Onlineshop stöbern und lächle in mich hinein, als er in seinen ersten blanken schwarzen Lederschuhen und im strahlend weißen Hemd durch die Wohnung hüpft und begeistert ruft: Ich sehe ganz erwachsen aus! Ganz erwachsen! –
Ja: Onlineshops… seit ich voller Elan mit dem kleinen Zeh gegen die Bettkante gerannt bin, singe ich ihr Loblied – trotz ökologischer Bedenken. So ein geprellter Vorderfuß braucht offensichtlich seine Zeit; die Ärzte bieten großzügig an, den kleinen Zeh an den zweitkleinsten Zeh zu pflastern, aber einen Pflasterzügelverband kann ich selber, seit er Vierzehnjährige im letzten Frühjahr einen gebrochenen Zeh hatte, und außerdem tut mir das Laufen dann noch mehr weh, also zucken die Ärzte mit den Schultern und lassen mich wieder nach Hause humpeln.
Zu Hause wartet der Alltag: der Staub und die Wäsche und das Dienstlaptop und manchmal meine Kinder; oft ein Buch, auf das ich mich freue, und immer das Radio mit seinen düsteren Nachrichten. Das Klein-Klein des Alltags und die Weltlage da draußen: meinen Kopf von beidem nicht lähmen, nicht ganz vereinnahmen zu lassen, ist nicht so leicht.
Vielleicht würde ich deshalb gern wieder ab und zu schreiben.